Der Geist der Tiere

Dominik Perler, Markus Wild (Hrsg.):
Der Geist der Tiere – Philosophische Texte zu einer aktuellen Diskussion
5. Auflage, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 2016
ISBN: 978-3-518-29341-6

Haben Tiere einen Geist? Dieser Frage widmet sich der 2016 bereits in fĂŒnfter Auflage erschienene Sammelband Der Geist der Tiere – Philosophische Texte zu einer aktuellen Diskussion, der von Dominik Perler und Markus Wild herausgegeben wurde und im Suhrkamp-Verlag erschien. Die einzelnen BeitrĂ€ge erörtern diese Frage sowohl aus sprachphilosophischer als auch aus erkenntnis- und wissenschaftstheoretischer Perspektive. Sie bilden damit die „analytische Gegenwartsdebatte“ – laut Vorwort zum ersten Mal in deutscher Sprache – (S. 8) ab und fĂŒhren sie weiter; mit Blick auf die Auflagenzahl auch recht erfolgreich.

Eingeleitet wird der Sammelband durch eine EinfĂŒhrung zum Geist der Tiere von Dominik Perler und Markus Wild. Nach einem kurzen einleitenden Systematisierungsversuch folgt eine historische Einordnung des Themas – von der Entstehung der modernen Tierdebatte in Antike und Mittelalter, ĂŒber die Vorstellung frĂŒhneuzeitlicher Kontrahenten der Tierdebatte (Michel de Montaigne und RenĂ© Descartes) bis hin zur Betrachtung der BeitrĂ€ge der kognitiven Ethologie zur Diskussion. Wichtig fĂŒr die Zuschreibung eines Geistes erscheinen demnach (abgeleitet vom Menschen) ein (phĂ€nomenales) Bewusstsein, intentionale ZustĂ€nde, Sprache und logisches Denken – nur wenn Tiere* diese Kriterien erfĂŒllen wĂŒrden, könnte auch ihnen (im Gegensatz zu Pflanzen) ein Geist zugesprochen werden. Auch einige diesbezĂŒgliche methodische und anwendungsbezogene Grundlagenprobleme werden dabei diskutiert. Abschließend kommen die Herausgeber in ihrer EinfĂŒhrung zu folgendem Schluss, der fĂŒr verschiedene Arten von Geist fĂŒr unterschiedliche Tierspezies plĂ€diert:

„Die entscheidende Frage sollte nicht lauten, ob Tiere einen Geist haben, sondern welche Art von Geist sie haben.“

S. 74

Zu dieser nun spezifizierten Fragestellung Ă€ußern sich im Anschluss insgesamt 15 BeitrĂ€ge. Zur besseren Übersichtlichkeit sind diese in vier Abschnitte eingeteilt: 1. Sprache und Überzeugungen (fĂŒnf BeitrĂ€ge), 2. ReprĂ€sentation und Verhalten (fĂŒnf BeitrĂ€ge), 3. Kommunikation und Gedankenlesen (drei BeitrĂ€ge) und 4. Bewusstsein (zwei BeitrĂ€ge). Auf die einzelnen BeitrĂ€ge kann an dieser Stelle jedoch aus PlatzgrĂŒnden nicht eingegangen werden. Positiv zu erwĂ€hnen ist jedoch, dass die BeitrĂ€ge nicht nur wichtige Problemstellungen aufzeigen, sondern auch LösungsansĂ€tze bieten und dabei unterschiedliche methodische AnsĂ€tze nutzen.

Insgesamt ist festzuhalten, dass allein die EinfĂŒhrung einen guten Über- und Einblick in die Debatten zum Geist der Tiere gibt – sie ist sehr informativ und lĂ€sst sich (fĂŒr einen philosophischen Text fast schon erstaunlich) gut lesen. Die einzelnen BeitrĂ€ge geben im Anschluss daran verschiedene Einsichten in die (zumindest im Jahr 2005) aktuellsten Erkenntnisse zu den verschiedenen Arten von Geist bei Tieren aus unterschiedlichen Perspektiven bzw. mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Damit ist der Sammelband insgesamt spannend zu lesen, auch wenn seine LektĂŒre mittlerweile mit aktuelleren BeitrĂ€gen und BĂŒchern ergĂ€nzt werden sollte, da einiges mittlerweile ĂŒberholt erscheint. Gleichzeitig ist daran allerdings auch schön zu sehen, dass sich im Feld dieser philosophischen (und ethologischen) Tier*-Debatten in den letzten 15 Jahren einiges getan hat – beispielsweise, wenn die AusfĂŒhrungen zu Sprache mit den Erkenntnissen in Eva Meijer’s Die Sprachen der Tiere verglichen werden; oder auch wenn die Einleitung mit „Critical Plant Studies“-Perspektive gelesen wĂŒrde. Auch Bernd Ladwig, der 2020 – ebenfalls im Suhrkamp Verlag – ein Buch zur Politischen Philosophie der Tierrechte veröffentlichte, stellt darin fest:

„Ein vermeintliches Monopol des Menschen nach dem anderen, von der IntentionalitĂ€t ĂŒber das schlussfolgernde Denken bis zum Werkzeuggebrauch und eventuell auch zur Empathie, fĂ€llt in sich zusammen.“

Ladwig (2020): S. 21

Dennoch bleibt die Empfehlung dieses Sammelbands fĂŒr alle, die sich mit den Debatten zum Geist der Tiere – und ggf. deren historischer Entwicklung – beschĂ€ftigen wollen (oder mĂŒssen).