Eva Meijer:
Die Sprachen der Tiere
Naturkunden, Band 44, Matthes & Seitz, Berlin, 2018
ISBN: 978-3-95757-536-4
Nach Caspar Hendersons Wahre Monster – Ein unglaubliches Bestiarium reiht sich nun auch Eva Meijers Die Sprachen der Tiere aus der Reihe der Naturkunden von Matthes & Seitz Berlin in den Bestand unserer Fachbibliothek ein. Und ich muss sagen: Es ist ästhetisch wie inhaltlich mal wieder ein Highlight – vor allem von der Gestaltung der Naturkunden-Bücher bin ich immer wieder begeistert. Doch selbstverständlich überzeugt Eva Meijers 2018 in zweiter Auflage erschienenes Buch nicht nur durch seine Ästhetik.
Sprache scheint eines der letzten Merkmale zu sein, das „uns Menschen“ von „den (anderen) Tieren“ unterscheidet – zumindest im Denken einiger (westlicher) Philosoph*innen. Doch: Ein Rotschwanzpapagei, der zählen und Witze reißen kann; ein Border Collie, der die Bezeichnungen von über tausend Spielzeugen kennt; Delfine, die sich gegenseitig beim Namen nennen; Mantisgarnelen, die mittels Farben kommunizieren oder Weißbüschelaffen, die sich gegenseitig ausreden lassen. So besticht bereits die Einleitung mit scheinbar zahllosen Beispielen tierlicher Kommunikationsmöglichkeiten, von denen mir viele neu waren. Doch es geht der Autorin nicht nur um die bloße Beschreibung tierlicher Sprachen, Ziel des Buches ist es vielmehr, über die Sprache auch ein neues Mensch-Tier*-Verhältnis einzuleiten, denn:
„Nachdenken über die Sprache von Tieren und das Sprechen mit Tieren kann uns dabei helfen, neue Gemeinschaften und Beziehungen einzugehen. Und es kann uns helfen, die Stellung von Tieren in unserer Gesellschaft kritisch zu hinterfragen.“
S. 12
In insgesamt sieben Kapiteln thematisiert die Philosophin, bildende Künstlerin, Singer-Songwriterin und Autorin Eva Meijer deshalb die Sprachen der Tiere* aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Als Einstieg ins Thema widmet sie sich zunächst – mal mehr, mal weniger bekannten – Experimenten, in denen Tieren* (Papageien und Schimpansen, aber auch Delfinen und Elefanten) die Menschensprache beigebracht werden sollte. Die Experimente werden dabei nicht unhinterfragt wiedergegeben, sondern auch kritisch beleuchtet, da oft falsche (evolutionäre) Grundannahmen zugrunde liegen und die künstlichen Rahmenbedingungen die Ergebnisse beeinflussen. Daran anschließend werden im zweiten Kapitel viele Beispiele tierlicher Sprachen und anderer Kommunikationsformen vorgestellt, die hier bereits angedeutet wurden (siehe oben), bevor im dritten Kapitel näher auf die Rolle von Sprache in der Mensch-„Haustier“-Beziehung eingegangen wird. Hier spielt die Mensch-Hunde-Beziehung aufgrund der gemeinsamen Domestizierungsgeschichte und die dadurch lange gegenseitige Beeinflussung eine zentrale Rolle. Gleichzeitig geht es aber auch um das Zusammenleben mit Katzen, Kaninchen oder Vögeln. Mit (wilden) Vögeln lebte beispielsweise Len Howard zusammen, über deren Leben, Wirken und Forschen Eva Meijer einen Roman geschrieben hat. Darüber hinaus werden hier aber auch die Entwicklung der Mensch-„Nutztier“-Beziehung sowie die Widerständigkeit von Schweinen, Hühnern, Kühen und Co. als Form der Kommunikation thematisiert. Weitere Kapitel befassen sich mit der Rolle des Körpers im Denken und Sprechen bei und mit Tieren*, mit den Strukturen tierlicher Sprachen (Komplexität, Grammatik etc.), mit dem Verhältnis von Spiel, Sprache, Metakommunikation und (moralischen) Regeln bei Tieren* und schließlich mit der Rolle von Sprache in der Politik. Dieses letzte Kapitel mit dem schönen Titel Wir müssen mit den Tieren ins Gespräch kommen könnte dabei für die Tierrechts-/ Tierbefreiungsbewegung besonders interessant sein, denn:
„Wir als Menschen täten gut daran, nicht bei der Frage stehenzubleiben, ob die Kommunikationssysteme der Tiere sprachlich sind, sondern zu erforschen, was uns die Tiere eigentlich sagen wollen.“
S. 151 f.
Folglich werden im letzten Kapitel politische (und widerständige) Tiere* thematisiert und beispielhaft politische Interaktionen mit Tieren* beleuchtet. Damit bekommt das Buch einen vollends runden Abschluss und ist weit mehr als ein weiteres ethologisches Werk unter vielen – es ist zugleich ethologisch, philosophisch und politisch – und damit sehr empfehlenswert. Passend dazu ist übrigens 2019 noch der Essay Was Tiere wirklich wollen – Eine Streitschrift über politische Tiere und tierische Politik von Eva Meijer im btb Verlag erschienen.