Bernd Ladwig:
Politische Philosophie der Tierrechte
Suhrkamp Verlag, Berlin, 2020
ISBN: 978-3-518-29915-9
Im Mai dieses Jahrs erschien im Suhrkamp Verlag das 411-seitige Werk Politische Philosophie der Tierrechte von Bernd Ladwig. Es könnte das nächste Standardwerk zu Tierrechten werden – vor allem auch aus dem Grund, dass es nicht (nur) die altbekannten Argumente für Tierrechte wiederholt, sondern auch um einen politischen Anspruch bemüht ist und dafür untersucht, wie ein gerechtes Zusammenleben mit Tieren* aussehen kann. Ladwig verbindet damit tierethische und politisch-philosophische Debatten. Warum das Buch außerdem ins Feld der politischen Philosophie gehört, verrät bereits das Vorwort:
„Tierrechte sind schon deshalb ein Thema für die politische Philosophie, weil das Unrecht, das wir Tieren heute antun […], zur Grundordnung unserer Gesellschaften gehört.“
S. 7
Bernd Ladwig beginnt das Buch mit einer Einleitung, die Tiere* als „Unterworfene sozialer Strukturen“ versteht. Dem „institutionalisierten Unrecht“, das Tiere* in diesen Strukturen erfahren, widmet er dabei das erste Unterkapitel. Es folgen erste Gedanken zu – aber bereits auch eine Kritik an – Tierethik und den von Menschenrechten abgeleiteten Tierrechten. Kritisiert werden bisherige Tierrechtskonzepte (auch „radikal abolitionistische Position[en]“) dabei beispielsweise als minimalistisch, altliberal und unpolitisch – unpolitisch, weil sie eben oft auf eine reine Abschaffung der Tierausbeutung, nicht aber auf eine positive Vision des Zusammenlebens fokussieren. Ladwigs Verständnis von Tierrechten ist hingegen interessentheoretisch und zielt auf eine „empathisch politische Konzeption […] von Tierrechten“ (S. 32) ab. Die Rolle des Staates wird dabei wie folgt beschrieben:
„Der Staat, der seine Zwangsmittel dazu einsetzt, das institutionalisierte Unrecht an den Tieren etwa gegen die Undercover-Recherchen und Befreiungsaktionen von Tierschützern zu verteidigen, sollte sie stattdessen dafür verwenden, das Unrecht zu beenden.“
S. 19
Mit einer Skepsis gegenüber Konzepten tierlicher Agency, einer ersten kurzen Kritik an Zoopolis und einigen Anmerkungen zum Aufbau des Buches endet diese Einleitung. Im nun folgenden ersten Hauptteil des Buches erläutert und rechtfertigt Ladwig (s)eine Interessentheorie der Tierrechte: In insgesamt vier Kapiteln führt er in die Begriffe von Moral, moralischem Status und moralischen Rechten ein und benennt dabei auch die Grenzen von Interessentheorie und Tierrechten. Der zweite Hauptteil des Buches widmet sich darauf aufbauend dann den Möglichkeiten und Grenzen der (politischen) Anwendbarkeit auf das Mensch-Tier-Verhältnis. Fünf Kapitel untersuchen dafür verschiedene Gerechtigkeitstheorien, diskutieren „Tierhaltung“ und politische Einbeziehung von Tieren, kritisieren ausführlich Konzepte tierlicher Agency und Zoopolis, und enden schließlich mit Überlegungen zur Umsetzung von Tierrechten in Form eines radikalen Tierschutzverständnisses.
Wie oben bereits angedeutet, könnte Politische Philosophie der Tierrechte von Bernd Ladwig zu einem neuen Standardwerk der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung werden – zumindest sollte es in diesen Bewegungen intensiv diskutiert werden. Selbst wer sich klar zur Tierbefreiungsbewegung bekennt und Tierrechte aus unterschiedlichen Gründen vielleicht eher ablehnt, wird in diesem Buch wichtige Anstöße für das eigene Denken und politische Handeln bekommen. Auch wenn ich nicht alle Ergebnisse und Kritikpunkte teile, kann ich das Buch nur wärmstens empfehlen. Vielleicht taucht es ja in Zukunft auch mal bei dem einen oder anderen Lesekreis der Tier*bewegungen auf… 😉
Übrigens gibt es zu diesem und weiteren Büchern für die nächste (18-minütige) Kaffee- oder Teepause ein nettes Format vom Suhrkamp Verlag: Suhrkamp espresso #21 zu Umweltschutz und Tierrechten.