Der folgende Text basiert auf einem Artikel, der im März 2018 in der TIERBEFREIUNG 98 erschien.
Neonazis, Reichsbürger*innen, Rechtskonservative – in all diesen Spektren der rechten Szene(n) werden Themen rund um Tierschutz debattiert. Immer mal wieder tauchen rechte Personen oder Gruppen bei Tierschutz- oder Tierrechtsaktionen auf und versuchen an diese Aktionen anzudocken und sie mit eigenen menschenverachtenden Inhalten zu füllen. Der folgende Beitrag versucht, einen kleinen Überblick über die verstreute Literatur zum Thema zu geben. Dabei kann nur schlaglichtartig auf Publikationen eingegangen werden.[1] Der Fokus dieses Beitrages liegt auf den historischen Tendenzen im Nationalsozialismus [2] und auf Neonazis, die Tierschutz- oder Tierrechtsarbeit „leisten“.
[1] Die Auswahl der vorgestellten Beiträge ist dabei nicht erschöpfend und es wird keine Garantie auf Vollständigkeit gegeben. Publikationen aus angrenzenden Themenbereichen, wie beispielsweise „Natur-/ Umweltschutz und Nationalsozialismus“ oder „Veterinärmedizin im Nationalsozialismus“ können nicht thematisiert werden, da sie den Rahmen dieses Beitrags sprengen würden.
[2] Für eine weitere Auseinandersetzung mit der historischen Perspektive siehe den Beitrag „Tierschutz im Nationalsozialismus“ von Tom Zimmermann in der TIERBEFREIUNG 98, S. 19-23.
Tierschutz im Nationalsozialismus
Wenn auch sehr verstreut, finden sich an verschiedenen Stellen Bücher und Aufsätze rund um das Thema „Nazis und Tiere“. Innerhalb dieser Publikationen wird zum Teil auch auf Tierschutz während des Nationalsozialismus eingegangen. Im folgenden Abschnitt werden sowohl Bücher als auch Aufsätze vorgestellt, die sich entweder mit der Mensch-Tier-Beziehung oder dem Tierschutz im Nationalsozialismus (NS) beschäftigen.
Den Anfang macht das Werk von Boria Sax mit dem Titel Animals in the Third Reich. Dieses wurde in der ersten Auflage 2000 veröffentlicht und in einer zweiten Auflage 2013 bzw. 2017 neu verlegt. Das Buch aus dem Bereich der Human-Animal Studies beschäftigt sich vorrangig mit der Mensch-Tier-Beziehung im NS, streift aber in einzelnen Abschnitten auch den Tierschutz.[3] Das englischsprachige Werk kann als ein Grundlagenwerk zur Thematik gelten, auch wenn einige Zusammenhänge (zum Beispiel Tierhaltung und Shoah) nicht zwangsläufig der Perspektive einer emanzipatorischen Tierbefreiungsbewegung entsprechen.
Ein Jahr zuvor erschien Winfried C.J. Eberstein’s Buch Das Tierschutzrecht in Deutschland bis zum Erlaß des Reichs-Tierschutzgesetzes vom 24. November 1933 zur Geschichte der Tierschutzgesetzgebung in Deutschland bis 1933. Er analysiert die verschiedensten Stufen und Debatten in der Entstehung der verschiedenen Tierschutzgesetze in Deutschland.[4] Für das Thema „Tierschutz im NS“ sind vor allem seine Ausführungen zum „Gesetz über das Schlachten warmblütiger Tiere“ von April 1933 interessant. Er konstatiert – dem Forschungsstand bis zu seiner Veröffentlichung folgend –, dass das Gesetz nicht in die Kategorie des Tierschutzes einzuordnen sei, sondern vielmehr ein antisemitischer Schachzug der Nazis gewesen ist.[5]
Einen breiteren Rahmen hat sich Stefan Dirscherl in seiner Studie gegeben. Er untersucht in Tier- und Naturschutz im Nationalsozialismus – Gesetzgebung, Ideologie und Praxis von 2012 sowohl die Gesetzgebungspraxen als auch die Ausführungen der Gesetze sowie die ideologischen Hintergründe dieser. Den Schwerpunkt legt Dirscherl auf die Gesetzgebung. In Bezug auf die Tierschutzbestimmungen bespricht er die Themen Schlachten (Schächtverbot), Tierversuche, Jagd und Vogelschutz und in Bezug auf das Mensch-Tier-Verhältnis den Diskurs um „Rassehunde“.
Für die Beschäftigung mit der Entstehung des Reichstierschutzgesetzes von 1933 bietet sich zudem die Arbeit Tierschutz als Agrarpolitik von Philipp von Gall an. Auch wenn sein Fokus auf der Gesetzesnovelle des Tierschutzgesetzes von 1972 liegt, sind seine Ausführungen zu den Entstehungen und Entwicklungen der Tierschutzgesetze in Deutschland interessant. So beschreibt er die Entstehung des Reichstierschutzgesetzes und den persönlichen Eingriff Görings in diesen Prozess. Auch die Einführung des „vernünftigen Grundes“ in Zusammenhang mit Tiernutzung in Tierschutzgesetzen ist laut von Gall auf die Einführung des Reichstierschutzgesetzes von 1933 zurückzuführen.
Ein Beitrag von 2002 beschäftigt sich ebenfalls intensiver mit der Entstehung und der Auswirkung des Reichstierschutzgesetzes von 1933: Daniel Jütte geht in Tierschutz und Nationalsozialismus auf die Vorgeschichte und die unterschiedlichen tierschutzbezogenen Gesetze des NS ein. Neben dem Reichstierschutzgesetz thematisiert er unter anderem das Thema Vivisektion und das (kurzzeitige) Verbot dieser durch Göring.[6]
Ebenfalls mit der Gesetzgebung [7] im Bereich Tierschutz beschäftigt sich der Aufsatz Die gesetzlichen Regelungen der nationalsozialistischen Reichsregierung für den Tierschutz, den Naturschutz und den Umweltschutz von Edeltraud Klueting im Sammelband Naturschutz und Nationalsozialismus von 2003. Im gleichen Sammelband findet sich ein weiterer Aufsatz, der für das vorliegende Thema relevant ist, auch wenn der Schwerpunkt nicht auf den Gesetzen liegt, sondern einen biografischen Zugang wählt. So zeichnet Anna-Katharina Wöbse in Lina Hähnle und der Reichsbund für Vogelschutz: Soziale Bewegung im Gleichschritt das Wirken von Lisa Hähnle im Reichsbund für Vogelschutz nach.[8] Der Schwerpunkt liegt auf der Zeit des NS, wobei die Vorgeschichte Hähnle’s und des Reichsbundes für Vogelschutz als Akteur*innen im Tier- und Umweltschutz ebenfalls thematisiert werden.
[3] Im Anhang des Buches befinden sich Abdrucke der Tier- und Naturschutzgesetzgebungen aus dem NS.
[4] Die Tierschutzgesetzgebung in Deutschland war aufgrund der staatlichen Organisation sehr unterschiedlich. Eine Analyse der Tierschutzbestrebungen dieser Zeit – mit Schwerpunkt auf das deutsche Kaiserreich – bietet Miriam Zerbel in ihrer Studie: Zerbel, Miriam (1993): Tierschutz im Kaiserreich – Ein Beitrag zur Geschichte des Vereinswesens. Münchner Studien zur neueren und neuesten Geschichte, Band 4, Peter Lang, Frankfurt am Main.
[5] Dieser Feststellung ist bis heute keine schlüssige Gegenargumentation gegenübergestellt worden. Eine Ergänzung zu dieser Feststellung ist, dass eine schnelle Tierschutzgesetzgebung auch auf die scheinbare Handlungsfähigkeit der NS-Regierung hinweisen sollte.
[6] Der Beitrag ist ursprünglich beim Schüler-Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten eingereicht wurden.
[7] Die Vorstellung von Publikationen zum Thema Tierschutzgesetz von 1933 ist an dieser Stelle nicht erschöpfend. Tierschutzkommentare und weitere rechtswissenschaftliche Beiträge zum Thema sind zahlreich und aus Platz-gründen soll an dieser Stelle nicht weiter auf diese eingegangen werden.
[8] Eine Rezension zur Neuerscheinung über das Leben und Wirken von Lisa Hähnle ist hier zu finden.
Mensch-Tier-Beziehung im Nationalsozialismus
Aus dem Bereich der Human-Animal Studies liegen einige Aufsätze zur Mensch-Tier-Beziehung im NS und/ oder der nationalsozialistischen Ideologie vor. So beschreiben die bereits erwähnte Anna-Katharina Wöbse und Mieke Roscher 2011 die Zootiere während des Zweiten Weltkrieges und vergleichen dabei die propagandistische Nutzung nichtmenschlicher Tiere des NS und Großbritanniens. Auch die Auswirkungen des Krieges auf die nichtmenschlichen Tiere werden beschrieben.
Ebenfalls mit Zoos im Nationalsozialismus beschäftigt sich Colin Goldner in seinem Beitrag Nazi-Zoos im Fachmagazin Tierstudien. Goldner beschreibt die Struktur der Tiergärten in der Zeit des NS und deren propagandistische Nutzung im Sinne des biologistischen Weltbildes der Nazis. Auch Akteur*innen innerhalb des Zoo-Komplexes des NS und die (nahezu nicht vorhandene) Auseinandersetzung in der Nachkriegszeit mit diesen finden bei Goldner Erwähnung.
Ausgehend von dem in der Tierrechtsbewegung weit bekannten Vorwurf, Hitler sei (auch) Vegetarier gewesen, widmet sich Andrea Heubach 2013 in Hitler war Vegetarier der Stellung nichtmenschlicher Tiere in der NS-Ideologie. Sie untersucht die Propagandafunktionen von Tieren und Tierschutz sowie die Auswirkungen der NS-Ideologie auf nichtmenschliche Tiere. Auch auf die symbolische Nutzung nichtmenschlicher Tiere zum Ausschluss von Menschengruppen aus der NS-Gesellschaft geht Heubach in ihrem Beitrag ein.
Einen ähnlichen Zugang wählt Maren Möhring in ihrem Aufsatz „Herrentiere“ und „Untermenschen“ von 2011. Möhring beleuchtet die soziale Grenzziehungspraxis innerhalb des NS und arbeitet dabei eine Transformation des Mensch-Tier-Verhältnisses heraus: Nicht die Einordnung in die Kategorie „Spezies“, sondern vielmehr eine rassistische Deutung führten zum Ein- oder Ausschluss in die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“. Beispielhaft werden einerseits Deutsche Schäferhunde genannt; andererseits verweist Möhring auf antisemitische Diskurse, die Jüd*innen als „Ungeziefer“ und ähnliches bezeichneten.
Zudem erschien 2016 in der TIERethik der Beitrag Das nationalsozialistische Tier: Projektionen von Rasse und Reinheit im „Dritten Reich“ von Mieke Roscher. Roscher widmet sich dabei den „rassenpolitischen Argumentationen der Nationalsozialisten“ in Bezug auf nichtmenschliche Tiere. Tierzucht diente als Grundlage, „Vorbild“ und „Muster“ der rassenhygienischen Vorstellungen. Anhand von Hunden im militärischen Kontext als „treuer Kamerad“, Pferden und Rindern als Zuchtmaterial und den Vorstellungen der Möglichkeit von Rückzüchtungen ausgestorbener Tierarten widmet sich der Beitrag den Projektionen nationalsozialistischer Ideologie auf nichtmenschliche Tiere. Auch die materiellen Auswirkungen auf nichtmenschliche Tiere werden von Roscher thematisiert.[9]
Die beiden Bände Tiere und Geschichte – Konturen einer „Animate History“ aus dem Franz Steiner Verlag (Band 1: 2014, Band 2: 2017) legen Kapitel mit Bezug zu nichtmenschlichen Tieren im NS vor. Im ersten Band widmet sich Boris Barth unter der Überschrift Tiere und Rasse dem Themenkomplex „Menschenzucht und Eugenik“ und untersucht die Vorbildfunktion von Tierzucht. Im zweiten Band, der sich mehr der direkten Arbeit mit Quellen widmet, findet sich ein Beitrag von Juliane Schmidt. Anhand Victor Klemperers Tagebüchern [10] beschäftigt sich Schmidt mit dem Haustierverbot für Jüd*innen vom 15. Mai 1942, einem weniger thematisierten tierbezogenen Gesetz aus dem NS.
Neben diesen Beiträgen aus den Bereichen der Rechtswissenschaften und der Human-Animal Studies finden sich in unterschiedlichen Publikationen weitere vereinzelte Beiträge zu den Themen Tiere im NS – so beispielsweise zur Nutzung von Schäferhunden als lebende Waffen in Konzentrationslagern [11] oder als Projektionsfläche für rassistische und rassehygienische Ideologien.[12] Auch neuere Beiträge zur NS-Ideologie haben die Mensch-Tier-Beziehung und die damit verbundenen Projektionen als Facette der NS-Ideologie erkannt. So findet sich beispielsweise auf den ersten Seiten des umfassenden Werkes Das Gesetz des Blutes von Johann Chapoutot aus dem Jahr 2016 die Mensch-Tier-Beziehung und der Tierschutz im NS wieder.
[9] Neben den Veröffentlichungen zur Thematik gab/ gibt Mieke Roscher Lehrveranstaltungen zum Thema an der Universität Kassel.
[10] Victor Klemperer (1881–1960) war Romanist in Dresden. Während der Herrschaft der Nationalsozialisten lebte er ab 1940 in unterschiedlichen „Judenhäusern“ in Dresden. Bekannt wurde er vor allem durch seine Tagebücher über die Zeit des NS und die Publikation „LTI – Notizbuch eines Philologen“ (Lingua Tertii Imperii: Sprache des Dritten Reiches).
[11] Beispielsweise Tindol 2013 oder Perz 1996.
[12] Zum Beispiel Skabelund 2008 (in deutscher Übersetzung: Skabelund 2010).
Neonazis und Tierschutz
Wenn die Literatur zum historischen NS und den Themen Tierschutz oder Mensch-Tier-Beziehung weit verstreut wirkt, so ist dies bei Fragen nach der Neuen Rechten und diesem Themengeflecht noch stärker zu bemerken. Den Großteil machen Zeitungs-, Magazin- und Blogbeiträge aus. Diese sind zum Teil stark auf regionale Räume begrenzt. Häufig ähneln sich die Überschriften und der Inhalt dieser Artikel, wobei es durchaus positive Ausnahmen zu verzeichnen gibt. Im folgenden Abschnitt sollen nur Schlaglichter dargeboten werden – die Fülle der Artikel, vor allem mit lokalem oder regionalem Bezug, würde den Rahmen dieses Beitrags bei Weitem sprengen.
Eine Ausnahme zu den verstreuten Artikeln liegt seit 2014 vor: Peter Bierl versucht sich in seiner Publikation Grüne Braune an der Geschichte der „Umwelt-, Tier- und Heimatschutz[bewegung] von rechts“. In einem Rundumschlag über Umwelt-, Natur-, Tierschutz- und Tierrechtsbewegungen leuchtet er die braunen Traditionen und aktuelle rechte Tendenzen aus. Um es diplomatisch auszudrücken, schießt Bierl jedoch häufig über das Ziel hinaus und verunglimpft nahezu alles als antiemanzipatorisch, was nicht seiner Meinung ist. Eine weitere Ausnahme bildet die von der Aussteigerhilfe Bayern veröffentlichte Broschüre Geht mal gar nich: Nazis und Tierrecht aus dem Jahr 2013. Das Positive an dieser Broschüre ist, dass ein Aussteiger aus der rechten Szene selbst über den Zugang (einiger) rechter Aktivist*innen zum Thema Tierschutz berichtet.[13]
Auf der mittlerweile vom Innenministerium verbotenen Onlineplattform indymedia veröffentlichte Ezra im Jahr 2008 einen Bericht zur Instrumentalisierung des Themas Tierschutz durch die Deutsche Volksunion (DVU) unter dem Titel Die DVU und der Tierschutz. In diesem geht sie auf die Kombination der Themen „Soziale Frage“ und Tierschutz durch Neu-Rechte im Allgemeinen und die DVU im Besonderen ein.
Dass Tierschutz als Deckmantel für Naziideologien dienen kann, thematisierte Eric Stritter 2010 auf der Onlineplattform „Netz gegen Nazis“ (heute Belltower News). Er beschreibt neben aktuellen Anknüpfungsversuchen von Neonazis an Tierschutzthemen auch die Vorgeschichte: Er zeigt auf, dass rechte Tierschützer*innen Vorläuferideen in ihren eigenen Traditionen finden können und dies auch tun. Dass Neonazis sich auf der Straße mit dem Thema Tierschutz etablieren wollen und dies zum Teil bei Großveranstaltungen wie der „Wir haben es satt“-Demonstration versuchen, zeigt der Artikel Gegen das „Schweinesystem“ von Maik Baumgärtner aus dem Jahr 2011. Er beschreibt, wie eine Gruppe „Neonazis aus dem Umfeld der aufgelösten ‚Freien Nationalisten Berlin Mitte‘ und der verbotenen ‚Kameradschaft Tor‘“ mit einem eigenen Transparent versuchte, einen Block auf der „Wir haben es satt“-Demonstration zu bilden.
Die Thematisierung von Vegetarismus oder Veganismus durch Neonazis wird in dem Artikel Vegetarierbund setzt braune Tierschützer vor die Tür von Max Bassin aus dem Jahr 2012 erwähnt: In der rheinland-pfälzischen Provinzstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler versuchten bekannte Neonazis, eine Ortsgruppe des Vegetarierbund Deutschland (VeBu, heute ProVeg) „zu unterwandern“. Bassin beschreibt sowohl den Versuch der Neonazis als auch den Umgang durch den VeBu mit diesem Versuch. Aus demselben Jahr stammt das Interview „Fleischesser wurden ganz klar nicht geduldet“ mit Bernd Wagner, Mitbegründer von Exit, der größten deutschen Aussteigerhilfe. Er gab dem Fachmagazin politische ökologie ein Interview zu ökologischen Themengebieten, die von Neonazis genutzt werden. In diesem weist Wagner darauf hin, dass es rechte Einzelpersonen und Strukturen gibt, die sich aktiv für den Schutz von Tieren einsetzen. Auch dass es Neonazis gibt, die sich vegan ernähren, wird von Wagner erwähnt.
Die Inszenierung einer eigenen Tierschutzkampagne von Neonazis – genauer gesagt von rechten Aktivist*innen des Freien Netz Süd (FNS) – war der Süddeutschen Zeitung 2013 eine Schlagzeile wert: Unter der Überschrift Neonazis im Eisbärenkostüm beschreibt Sophie Rohrmeier die Kampagne gegen Zirkusse vom FNS. Eigene Flyer und mehrere Kundgebungen der Neonazigruppe werden von Rohrmeier beschrieben. Über den Versuch von Neonazis, an einer Demonstration gegen einen Zirkus in Dortmund teilzunehmen, berichtet Torsten Schwarz 2013 in Neonazis bei Protesten vor Zirkus in Dortmund. Der Anknüpfungsversuch selbst wird dabei ebenso geschildert wie der Umgang von Veranstalter*innen, Polizei und weiteren beteiligten Tierrechtsaktivist*innen.
Einen Blick auf Querfrontaktivist*innen und vegane Reichsbürger wirft Mira Landwehr in ihrem Beitrag Kann Spuren von Empathie enthalten aus der Konkret im Jahr 2017. Einen Fokus auf die Tierschutz- bzw. Tierrechtsbewegung und rechte Aussagen aus dieser heraus legt Jan Stremmel in Rechte für Tiere. Wiederum in der Süddeutschen Zeitung beschreibt er 2017 Aussagen der Animal Peace-Begründerin, die mehr als nur eine Tür für rechte und andere menschenverachtende Ideologien öffnet.
Neben diesen Artikeln finden sich auch immer wieder Beiträge, die sich aus explizit tierrechtlerischer Perspektive mit dem Thema Neonazis und Tierschutz beschäftigen. Zu erwähnen ist an dieser Stelle unter anderem der Artikel Rechte für Tiere? Neonazis suchen den Schulterschluss mit der Tierbefreiungsbewegung von Sebastian Vollnhals. 2006 beleuchtete er im Magazin TIERBEFREIUNG die aktuellen Versuche von Neonazis, das Thema Tierrechte zu besetzen – hierbei legte er einen Fokus auf die zu diesem Zeitpunkt aktive Neonazigruppe AG Tierrecht. Ein Text, der eine umfassende Analyse des rechten Tierschutzspektrums bietet, wurde von Colin Goldner 2007 im Magazin Der Rechte Rand vorgelegt. Unter dem Titel Der braune Rand der Tierrechtsbewegung widmet er sich sowohl den historischen Vorläufern als auch aktuellen rechten Tendenzen innerhalb der Tierschutz- oder Tierrechtsbewegung. In eine ähnliche Richtung geht Emil Franzinelli im Magazin TIERBEFREIUNG im Jahr 2011: Er stellt die Frage Hauptsache für die Tiere? und untersucht dabei, wie rechte Positionen in der Tierrechtsbewegung Anschluss finden bzw. wie sie von Vertreter*innen der Tierrechtsbewegung selbst vertreten werden. Aus dem Vortrag Nazis und Tierrechte, gehalten wiederum von Colin Goldner im Jahr 2014, machte der Menschen für Tierrechte – Tierversuchsgegner Saar e.V. eine Broschüre mit dem Titel Nazis und Tierrechte. Ähnlich wie der Artikel in Der Rechte Rand, beschäftigt sich die Broschüre mit nahezu dem gesamten Spektrum rechter Tierschutzideen.
Neben den beschriebenen Artikeln finden sich auch wenige Podcasts zur Thematik im Netz. Vor allem der Hinweis darauf, dass die Nutzung des Themas Tierschutz oder Tierrechte nicht nur in Deutschland ein Phänomen ist, ist der Basisgruppe Tierrechte aus Österreich zu verdanken. In zwei Beiträgen im Anarchistischen Radio widmen sich die Aktivist*innen der Thematik Nazi Animalisti – Fuck Off!. Die dafür geführten Interviews mit Aktiven aus den Niederlanden, Italien (2012) und Frankreich (2014) zeigen, dass die Problematik durchaus eine (mindestens) europäische ist.
[13] Vergleiche Wellmann 2013.
Rechtskonservative Publikationen
Auch aus dem Bereich der rechtskonservativen bis rechtsradikalen Bewegungen finden sich Publikationen zum Thema Tierschutz im Nationalsozialismus. Die Vorstellung der Titel soll dabei nicht als „Werbung“ missverstanden werden. Zum einen dient dies dem Versuch der Vollständigkeit und zum anderen zeigt es auch das Interesse rechter Gruppen und Einzelpersonen an der Historisierung eigener Tierschutztraditionen. In den Jahren 2007 und 2008 wurden zwei Publikationen veröffentlicht: Die erste mit dem Titel Deutschlands erstes Tierschutzgesetz von Jürgen Lemcke, die zweite mit dem Titel Tierschutz im Dritten Reich – Im Neuen Reich darf es keine Tierquälerei mehr geben. Für das zweite Werk von Daniel Heintz liegt eine vernichtende Rezension von Mieke Roscher aus dem Jahr 2011 vor. Beide Werke zeigen bereits nach wenigen Seiten, wessen Geistes Kind die Autor*innen sind.
Ausblick
Die vorgestellten Titel sind keineswegs erschöpfend, sie zeigen lediglich, dass die Themen Tierschutz und Mensch-Tier-Verhältnisse in rechten Ideologien durchaus auf Interesse in der Forschung und in den Medien stoßen. Auch dass die Gefahr einer Instrumentalisierung der Tierrechtsbewegung erkannt wird, zeigt die nur auszugsweise Vorstellung der einzelnen Artikel. Eine ausgiebige und umfangreiche Analyse der Themen steht dabei immer noch aus.
Die inhaltliche und auch praktische Auseinandersetzung mit rechtsradikalen Ideologien und deren Bezug zu Tierschutz- oder Tierrechtsthemen sollte von einer emanzipatorischen Bewegung, wie es die Tierrechtsbewegung anstrebt, nicht vergessen werden. Die Beschäftigung mit rechtsradikalen Ideologien bietet sich an, da sie viele der in der Gesellschaft verankerten Stereotype und Vorurteile offen bedienen. Aber auch die Auseinandersetzung mit den eigenen Vorurteilsstrukturen innerhalb der Tierrechtsbewegung sollte dabei nicht vernachlässigt werden.
Literatur- und Onlineverzeichnis
- Aussteigerhilfe Bayern; Angermüller, Sebastian (2012): Geht mal gar nich – Nazis und Tierrecht. Selbstverlag, Berlin.
- Basisgruppe Tierrechte (2012): Nazi Animalisti – Fuck Off! Anarchistisches Radio, verfügbar am 27.01.2018.
- Basisgruppe Tierrechte (2014): Nazi Animalisti – Fuck Off! Teil 2. Anarchistisches Radio, verfügbar am 27.01.2018.
- Bassin, Max (2012): Vegetarierbund setzt braune Tierschützer vor die Tür. Zeit Online – Störungsmelder, verfügbar am 30.05.2020.
- Baumgärtner, Maik (2011): Gegen das „Schweinesystem“ – Berliner Neonazis entdecken Ökologie. Der Berlin-Blog vom apabiz, verfügbar am 30.05.2020.
- Barth, Boris (2014): Tiere und Rasse – Menschenzucht und Eugenik. In: Krüger, Gesine; Steinbrecher, Aline; Wischermann, Clemens (Hrsg.): Tiere und Geschichte – Konturen einer Animate History. Franz Steiner, Stuttgart, S. 199–219.
- Bierl, Peter (2014): Grüne Braune – Umwelt-, Tier- und Heimatschutz von rechts. UNRAST, Münster.
- Chapoutot, Johann (2016): Das Gesetz des Blutes – Von der NS-Weltanschauung zum Vernichtungskrieg. Philipp von Zabern, Darmstadt, S. 29–64.
- Dirscherl, Stefan (2012): Tier- und Naturschutz im Nationalsozialismus – Gesetzgebung, Ideologie und Praxis. V&R unipress, Göttingen.
- Eberstein, Winfried C.J. (1999): Das Tierschutzrecht in Deutschland bis zum Erlaß des Reichs-Tierschutzgesetzes vom 24. November 1933 – Unter Berücksichtigung der Entwicklung in England. Peter Lang, Frankfurt am Main.
- Ezra (2008): Die DVU und der Tierschutz. Indymedia, verfügbar am 30.05.2020.
- Franzinelli, Emil (2011): Hauptsache für die Tiere? Wie unkritisch dürfen die Tierrechtsbewegung und ihre Repräsentierenden sein? In: Franzinelli, Emil; Gamerschlag, Andre; die tierbefreier e.V. (Hrsg.): Tierbefreiung – Beiträge zu Profil, Strategien und Methoden der Tierrechtsbewegung. Compassion Media, Münster, S. 16–30.
- Gall, Philipp von (2016): Tierschutz als Agrarpolitik – Wie das deutsche Tierschutzgesetz der industriellen Tierhaltung den Weg bereitete. transcript, Bielefeld.
- Goldner, Colin (2007): Der braune Rand der Tierrechtsbewegung. Der Rechte Rand 108, S. 21 f.
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- Heintz, Daniel (2008): Tierschutz im Dritten Reich – Im Neuen Reich darf es keine Tierquälerei mehr geben. Wâra, Freiburg.
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- Stremmel, Jan (2017): Rechte für Tiere. Süddeutsche Zeitung, verfügbar am 30.05.2020.
- Stritter, Eric (2010): Tierschutz als Deckmantel für Naziideologien. Belltower.News, verfügbar am 29.05.2020.
- Tindol, Robert (2013): The best friend of the murderers – guard dogs and the nazi holocaust. In: Hediger, Ryan (Hrsg.): Animals and War – Studies of Europe and North America. Leiden, Boston, S. 105–121.
- Vollnhals, Sebastian (2006): Rechte für Tiere? Neonazis suchen den Schulterschluss mit der Tierbefreiungsbewegung. In: Franzinelli, Emil; Gamerschlag, Andre; die tierbefreier e.V. (Hrsg.): Tierbefreiung – Beiträge zu Profil, Strategien und Methoden der Tierrechtsbewegung. Compassion Media, Münster, S. 13–15.
- Wagner, Bernd (2012): „Fleischesser wurden ganz klar nicht geduldet“ – Rechte Aussteiger mit ökologischem Bewusstsein. politische ökologie 131, S. 86–90.
- Wellmann, Dennis (2013): „Ich marschiere für die Tiere“ – Nazis und Tierschutz. Belltower.News, verfügbar am 30.05.2020.
- Wöbse, Anna-Katharina (2003): Lina Hähnle und der Reichsbund für Vogelschutz – Soziale Bewegung im Gleichschritt. In: Radkau, Joachim; Uekötter, Frank (Hrsg.): Naturschutz und Nationalsozialismus. Campus, Frankfurt am Main, S. 309–328.
- Wöbse, Anna-Katharina; Roscher, Mieke (2011): Zootiere während des Zweiten Weltkrieges – London und Berlin 1939–1945. Werkstatt Geschichte 56, verfügbar am 14.01.2018.