Ein Freies Archiv der Tierrechtsbewegung und das in der sÀchsischen Provinz?
Ein Text von Andy Spe
Ganz Sachsen ist von Nazis besetzt. Ganz Sachsen? Nein! Einige LeuchttĂŒrme finden sich, die sich mit unterschiedlichsten emanzipatorischen Themen beschĂ€ftigen. Einer dieser LeuchttĂŒrme ist in der Kleinstadt Döbeln zu finden: Seit mittlerweile 21 Jahren trotzt hier der soziokulturelle Verein Treibhaus e.V. verschiedensten WiderstĂ€nden. Im Dunstkreis dieses Vereins, der soziokulturelle Angebote sowie politische Bildungsarbeit und verschiedenste Beratungen fĂŒr Marginalisierte leistet, wurde es möglich, auch andere Themen als die Arbeit gegen Rechts zu bearbeiten â wobei dies innerhalb der emanzipatorischen Gruppen immer wieder Thema war und ist.
Ăkologie? Das machen wir bisher nicht!
Im Jahr 2007, ein Jahr nach dem groĂen Taumel des Partypatriotismus, trafen sich junge Aktivist*innen aus dem Umfeld des Treibhaus e.V.. Sie hatten festgestellt, dass ein Themenfeld, das allen am Herzen lag, bisher wenig diskutiert wurde â Ăkologie. Auch wenn die politischen HintergrĂŒnde sehr unterschiedlich waren, wurde eine Gruppe mit dem in der RĂŒckschau etwas merkwĂŒrdig anmutenden Namen âGrĂŒne Toleranzâ gegrĂŒndet. Zehn Jahre lang prĂ€gte die Gruppe das Thema emanzipatorische Ăkologie in der Region und konnte verschiedenste Strukturen schaffen. Die erste Veranstaltung der Gruppe war ein Vortrags- und Filmabend zur Frage der grĂŒnen Gentechnik. Da Ăkologie bisher nur von etablierteren Naturschutzorganisationen im Raum um Döbeln thematisiert wurde, hieĂ es Netzwerke knĂŒpfen. Von Anfang an war das Ziel, sich nicht allein in der Ăkobewegung zu vernetzen â antifaschistische Strukturen wurden angesprochen und relativ schnell kamen Kontakte in die emanzipatorische Tierrechtsbewegung zustande. Neben verschiedensten Vortragsveranstaltungen, die die jungen Leute selbst durchfĂŒhrten, beteiligte sich die Gruppe zwischen 2008 und 2009 an einer Kampagne gegen eine Pelzfarm. Parallel wurde aus Mangel an Angeboten eine eigene KĂŒFA-Struktur (KĂŒche fĂŒr Alle) etabliert. Diese fand zum einen ein Zuhause im CafĂ© Courage, dem soziokulturellen Treffpunkt in Döbeln â bis heute ein wichtiger Freiraum in der Region. Zum anderen waren die Aktivist*innen auch regelmĂ€Ăig unterwegs und haben kleine nichtkommerzielle Festivals, Anti-Nazi-Veranstaltungen, Konzerte und vieles weitere mit Essen und Tee versorgt. Im Laufe der Zeit geschah jedoch innerhalb der Gruppenstruktur das, was politische Strukturen im Allgemeinen, aber solche, die in der Provinz aktiv sind, im Besonderen kennen: Viele der Aktivist*innen gehen ab einem gewissen Zeitpunkt in eine andere, in diesem Fall gröĂere Stadt. LangjĂ€hrige Aktivist*innen fehlten nahezu vollstĂ€ndig, personelle KontinuitĂ€ten lieĂen sich schlecht erhalten. Dadurch verĂ€nderte sich das Profil der Gruppe hin zu einer Tierrechtsgruppe.
Von der Ăko- zur Tierrechtsgruppe
Nachdem die GrĂŒne Toleranz zahlenmĂ€Ăig etwas geschrumpft war, stellten die verbliebenen Aktiven fest, dass sie momentan alle hauptsĂ€chlich die Tierrechtsfrage umtrieb. Im Gegensatz zu den AnfĂ€ngen der Gruppe gab es diesmal bereits Kontakte und Netzwerke in die Tierrechtsbewegung, sodass die Voraussetzungen fĂŒr den kommenden Aktivismus etwas besser gelagert waren. Die KĂŒFA begleitete die Aktivist*innen weiterhin. Proteste gegen Zirkusse, vegane Brunchs â im Ăbrigen vor der Entpolitisierung des Veganismus-Begriffs â und Vortragsveranstaltungen zu verschiedensten Themen der Tierrechtsbewegung waren Teil des Repertoires. Bereits zu dieser Zeit war bei einigen Aktivist*innen die Idee geboren, eine Bibliothek zu Tierrechten aufzubauen. Im Jahr 2011 fĂŒhrte dieses Engagement innerhalb der Tierrechtsbewegung auch zum Kennenlernen der GrĂŒnderin des Magnus-Schwantje-Archivs, Renate Brucker. Nach einer Vortragsveranstaltung, gemeinsam mit ihr und einem Aktivisten* des Vereins die tierbefreier e.V., sollten zwei Ideen und Entwicklungen die Gruppe nachhaltig prĂ€gen. Zum einen wurde die GrĂŒne Toleranz, die mittlerweile ihren Schwerpunkt im Bereich emanzipatorische Tierrechtsbewegung hatte, Ortsgruppe des deutschlandweit agierenden Dachverbandes die tierbefreier e.V.. Zum anderen reifte durch den Kontakt mit Renate Brucker und dem Magnus-Schwantje-Archiv die Idee, ein Bewegungsarchiv fĂŒr die Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung aufzubauen. Bevor dies jedoch die selbstgewĂ€hlte Hauptaufgabe der Aktivist*innen der Gruppe wurde, kehrten sie 2012 und 2013 noch einmal zurĂŒck zu ihren Wurzeln. Mit dem Projekt âgreenhouse educationâ wurde ein einjĂ€hriges Bildungsprojekt initiiert. Zwölf gröĂere Themengebiete â von Klimawandel ĂŒber Urban Garding, kritische Psychiatrie, kritische Erinnerungskultur und Staudammproblematiken bis hin zu Tierversuchen und (politischem) Veganismus â bildeten den Rahmen fĂŒr je einen Monat. Innerhalb dieser Themenmonate fanden Buchlesungen, VortrĂ€ge, Workshops und StadtrundgĂ€nge in Döbeln und Freiberg statt. Ab 2013 widmeten sich die Aktivist*innen hauptsĂ€chlich der Arbeit innerhalb der emanzipatorischen Tierrechtsbewegung und dem Aufbau eines Bewegungsarchivs. FĂŒr die Tierrechtsbewegung gab es zu diesem Zeitpunkt noch kein unabhĂ€ngiges, freies Archiv. Es hieĂ also mal wieder fĂŒr die Aktivist*innen: âDann mĂŒssen wir es halt selbst machen!â
Ein Bewegungsarchiv â was ist das eigentlich?
Der Aufbau einer Tierrechtsbibliothek, geboren aus der egoistischen Feststellung, dass die Literatur ĂŒber und von der Tierrechtsbewegung weitverstreut ist und an einem Ort gesammelt werden sollte, erschien den Aktivist*innen der GrĂŒnen Toleranz nicht allzu schwer. Einen Raum â im Haus der Demokratie in Döbeln â hatten sie bereits als BĂŒro zu Beginn ihrer AktivitĂ€ten bezogen. Jetzt hieĂ es also nur noch BĂŒcher in Regale zu stellen. So einfach war das Ganze dann allerdings doch nicht. Im Jahr 2014 erhielt die GrĂŒne Toleranz finanzielle UnterstĂŒtzung durch den Tierrechtstopf und der BĂŒroraum konnte renoviert werden. Die ersten BĂŒcher waren bereits als Spenden eingegangen und auch die ersten Regale konnten angeschafft werden â sehr schicke und praktisch dauerhaft neuzusammensteckbare Holzregale. Die Aktiven hatten noch keine richtige Ahnung, dass das gar nicht so sinnvoll war. Neben den BĂŒchern sammelten sich aber auch immer mehr FlugblĂ€tter, BroschĂŒren, Buttons und weitere Materialien der Tierrechtsbewegung in den RĂ€umlichkeiten des Bewegungsarchivs. Zu dieser Zeit begannen die Aktivist*innen sich auch mit den HintergrĂŒnden, Organisationsformen und praktischen Arbeiten in Freien Archiven zu beschĂ€ftigen. Freie Archive, Dokumentationszentren, Bewegungsarchive oder InfolĂ€den â es gibt viele Namen fĂŒr Projekte, die Zeugnisse von sozialen Bewegungen sammeln. GrĂŒnde dafĂŒr gibt es viele, ein zentraler war und ist: Staatliche Archive sind nicht in der Lage oder Willens an der Ăberlieferung der Geschichte einer sozialen Bewegung mitzuwirken â warum auch, es wĂŒrde ja die eigene SiegeserzĂ€hlung stören, wenn kritische Stimmen in der Geschichtsschreibung zu finden wĂ€ren. Also hieĂ es fĂŒr die Aktivist*innen, unter anderem der Frauenbewegungen, der Umwelt- und Anti-AKW-Bewegungen, der Schwulenbewegung und vielen weiteren: âWir mĂŒssen eigene Instanzen schaffen, um unsere Geschichte erhalten zu könnenâ. Freie Archive sind dabei mehr als verstaubte Orte mit alten Akten. Vielmehr sind sie Wissensspeicher und das GedĂ€chtnis einer Bewegung. In ihnen kann der eigenen Geschichte der jeweiligen Bewegung nachgespĂŒrt, Diskussionen verstanden und weitergefĂŒhrt werden. Sie sind aber auch RĂ€ume fĂŒr Vernetzung und Reflexion. Durch die BeschĂ€ftigung mit diesen Strukturen und deren praktischer Archivarbeit verĂ€nderte sich der Blick der Aktiven der GrĂŒnen Toleranz auf ihre Arbeit. Aus einer Tierrechtsgruppe wurde das Projekt âdas tierbefreiungsarchivâ.
Von der Tierrechtsgruppe zum Bewegungsarchiv
Die erste offizielle ErwĂ€hnung ĂŒber den Aufbau eines Bewegungsarchivs fĂŒr die Tierrechtsbewegung findet sich im Jahr 2013 im Magazin TIERBEFREIUNG. Bereits ein Jahr darauf wurden, wie bereits erwĂ€hnt, die RĂ€umlichkeiten renoviert und mit den ersten Regalen, BĂŒchern und Materialien der Bewegung bestĂŒckt. Durch die folgende intensivere Auseinandersetzung mit der Arbeit eines Freien Archivs erschien es den Aktiven angebracht, auch ihre Arbeit zu verĂ€ndern. Ein Bewegungsarchiv ist kein Projekt, das mal nebenbei gemacht werden kann; daher wurde die Arbeit der GrĂŒnen Toleranz zur Arbeit des Projektes âdas tierbefreiungsarchivâ. Der Verein die tierbefreier e.V. unterstĂŒtzte das Projekt ab 2013 sowohl ideell, finanziell als auch mit Materialien. Relativ schnell wuchs auch der Bestand â so erhielt das tierbefreiungsarchiv relativ schnell nach seiner GrĂŒndung den ersten Nachlassbestand: Die im Jahr 2011 verstorbene Soziologin und Tierrechtsaktivistin Birgit MĂŒtherich hinterlieĂ eine unglaublich groĂe Menge an Materialien, die mittlerweile im tierbefreiungsarchiv lagern. Innerhalb der ersten Jahre wurde dann schnell klar, rĂ€umliche und infrastrukturelle VerĂ€nderungen mĂŒssen her. Das Archiv ist in den ersten vier Jahren so schnell angewachsen, dass ein zweiter Raum angemietet werden musste. Eine kleine Anekdote verdeutlicht an dieser Stelle auch die VerĂ€nderung innerhalb der Arbeit der nun zu Archivar*innen gewordenen Aktivist*innen: Schöne Holzregale, eine nachhaltige Lösung â nach Auseinandersetzung mit der Verwahrungspraxis von Papier wurde jedoch schnell klar: Es werden Metallregale benötigt; dafĂŒr sollte aber vorerst kein Geld da sein. Das sollte die Arbeit der Archivar*innen jedoch nicht mindern oder verhindern. Stetig wurde auf StraĂenfesten, Workshops, Konferenzen und Vortragsveranstaltungen innerhalb der Tierrechtsbewegung auf das Projekt aufmerksam gemacht und fleiĂig Materialien eingesammelt. Dies fĂŒhrte auch dazu, dass das tierbefreiungsarchiv im Zeitraum zwischen 2016 und 2018 auf allen gröĂeren (Konferenz-)Veranstaltungen der emanzipatorischen Tierrechtsbewegung anzutreffen war. Durch diese Vernetzungsarbeit wurde auch davon Kenntnis genommen, dass es in Bochum ein Ă€hnliches Projekt mit gröĂerem Bestand gibt â das Tierrechtsarchiv Bochum. NatĂŒrlich wurde direkt zu dieser Instanz Kontakt aufgenommen. Leider sollte dem Tierrechtsarchiv Bochum, ansĂ€ssig an der Ruhr-UniversitĂ€t, keine allzu lange Geschichte geschenkt werden. 2017 musste sich das Tierrechtsarchiv in Bochum wieder auflösen. Dies war unter anderem der AbhĂ€ngigkeit von einer Institution geschuldet; die UniversitĂ€t brauchte die RĂ€ume zurĂŒck. Das ist nur ein Beispiel der prekĂ€ren Lage freier Archive. Das Aus solcher Projekte kann verheerend fĂŒr die Geschichtsbewahrung sozialer Bewegungen sein. Die Materialien des Tierrechtsarchivs konnten jedoch von Aktivist*innen gesichert und im Januar 2018 dem tierbefreiungsarchiv ĂŒbergeben werden. Ăhnlich dem Nachlass Birgit MĂŒtherichs hatten viele Flyer, BroschĂŒren und BĂŒcher ein neues Zuhause gefunden. Einen groĂen Anteil der Materialien machten die Vereinsakten des Vereins âPolitischer Arbeitskreis fĂŒr Tierrechte (PAKT)â aus. Diese MaterialĂŒbernahme verdreifachte den Bestand des tierbefreiungsarchiv mit einem Schlag. Die Aktiven, die sich 2017 entschieden, nach zehn Jahren die GrĂŒne Toleranz aufzulösen und sich auch nach AuĂen als tierbefreiungsarchiv zu prĂ€sentieren, stellte diese Materialflut vor infrastrukturelle Probleme. GlĂŒcklicherweise konnte ein zweiter Raum bezogen werden und auch das Regalproblem sollte sich 2018 lösen. Eine befreundete Gruppe â das Neue Vorum aus Leipzig â spendete den Archivar*innen Schwerlastregale aus Holz. An dieser scheinbaren Kleinigkeit wird deutlich, wie wichtig es fĂŒr Bewegungsarchive ist, innerhalb ihrer jeweiligen Bewegung vernetzt zu sein. Denn auch der Aufbau der Regale und damit ein erneuter Umbau der ArchivrĂ€umlichkeiten konnte nur mit UnterstĂŒtzung der tierbefreier*innen Leipzig gewĂ€hrleistet werden. Dass Vernetzung innerhalb der Bewegung das A und O ist, zeigt auch die Ăbernahme eines weiteren Archivs. Bereits 2017 wurde in Berlin ein bereits Anfang der 2000er Jahre angelegtes Archiv aus einem Projekthauskeller âgeborgenâ. Immer wieder senden auch Privatpersonen, Vereine oder Gruppen Materialien an das Archiv. Die Akzeptanz der Wichtigkeit der Arbeit scheint mittlerweile auch bei vielen Aktiven angekommen zu sein, zumindest wurden dem tierbefreiungsarchiv verschiedenste Kostenlos-Abos von Tierrechts- und Vegan-Zeitschriften zugedacht. Die Menge an Materialien fĂŒhrte ab 2017 auch zu der Erkenntnis, dass eine rein ehrenamtliche Betreuung des Projektes unrealistisch ist, um dem eigenen und auch dem Ă€uĂeren Anspruch an ein Bewegungsarchiv gerecht zu werden. Der Verein die tierbefreier e.V., der das Archivprojekt von Anfang an begleitet hat, finanziert seitdem eine AufwandsentschĂ€digung fĂŒr eine* Aktivistin* des Archivs in Höhe von 400 ⏠pro Monat. Seitdem konnten in vielerlei Hinsicht Fortschritte im Archiv gemacht werden: Erste groĂe Verzeichnisaktionen fanden statt und einige Datenbanken (Magazine, BroschĂŒren) wurden auf der Webseite zugĂ€nglich gemacht. Die Bibliothek, mittlerweile vermutlich eine der gröĂten Sammlungen zu Tierrechten, Tierbefreiung und Human-Animal Studies, wĂ€chst ebenfalls stetig. Seit 2019 unterstĂŒtzt das tierbefreiungsarchiv auch andere Bibliotheksprojekte aus dem Vegan- und Tierrechtsspektrum (z.B. Vegane Bibliothek in Hamburg, Bibliothek der Stiftung fĂŒr das Tier im Recht). Die Vernetzung sowie der Auf- und Ausbau des Archivs an sich sind jedoch nicht die einzigen TĂ€tigkeitsbereiche der Aktivist*innen des Archivprojektes. Aus der Erkenntnis, dass wir aus der BeschĂ€ftigung mit der Geschichte unserer eigenen Bewegungen Erkenntnisse fĂŒr unseren jetzigen Aktivismus ziehen können, werden sowohl historische Themen der Tierrechtsbewegung als auch die Arbeit freier Archive in verschiedensten Formaten aufbereitet.
Geschichte wird gemacht â wir machen mit!
Die Geschichten nahezu aller emanzipatorischer Bewegungen wurden (oder werden) von der Mainstreamwissenschaft totgeschwiegen. Dass widerstĂ€ndiges Verhalten und widerstĂ€ndige Organisation historisch weit zurĂŒckreichende Wurzeln haben, muss(te) erst StĂŒck fĂŒr StĂŒck an die OberflĂ€che gebracht werden. Freie Archive helfen dabei, diese Geschichten und ErzĂ€hlungen zu ermöglichen und zu erhalten. Geschichte ist nicht einfach Vergangenheit, sondern deren Interpretation und die kann aus unterschiedlichen Blickwinkeln sehr unterschiedlich ausfallen. WĂ€hrend uns eine groĂe ErzĂ€hlung der Konkurrenzen (Kapitalismus, Rassismus, Kolonialismus, Nationen, Tierausbeutung,âŠ) allgegenwĂ€rtig vorgetragen wird, kann die Auseinandersetzung mit den Zeugnissen emanzipatorischer Bewegungen andere Geschichten erzĂ€hlen, solche von MitgefĂŒhl und SolidaritĂ€t ĂŒber Speziesgrenzen hinaus. Das versuchen auch die Aktivist*innen des tierbefreiungsarchivs. Mit VortrĂ€gen und Workshops oder auch Blog- und ZeitschriftenbeitrĂ€gen versuchen sie, in die Diskurse der Tierrechtsbewegung hineinzuwirken â mit wie viel Erfolg, lĂ€sst sich schwer sagen. Bereits 2016 organisierten die Aktivist*innen beispielsweise eine Vortragstour zu ârechten Strukturen innerhalb der Tierbewegungenâ. Im Gegensatz zu vielen anderen Positionen, die rechtes und nationalistisches Engagement im Tierschutz- oder im Tierrechtsspektrum als reine Unterwanderungsstrategien ansehen, machten die Aktiven deutlich, dass es âtiefbraune Wurzelnâ im Natur- und Tierschutz gibt, die dringend aufgearbeitet werden mĂŒssen. 2018 konnten Aktive des Archivs den Sinn eines Freien Archivs und der Auseinandersetzung mit Bewegungsgeschichte auf der International Animal Rights Conference in Luxembourg vorstellen. Dabei wurde auch dazu aufgerufen, in anderen LĂ€ndern Archive und Bibliotheken aufzubauen. Im Jahr 2019 widmeten sich die Aktiven des Archivs den (historischen) Ăberschneidungen von Tierbefreiungsidee und Anarchismus. Mit BeitrĂ€gen zu den Kommunard*innen ĂlisĂ©e Reclus und Louise Michel sowie einer Rezension zu Brian A. Dominicks Essay âTierbefreiung und Soziale Revolutionâ im Magazin TIERBEFREIUNG (Heft 102) bildeten die Grundlage fĂŒr einen Vortrag, der unter dem Titel âTierbefreiung und Anarchie â Schwestern im Geiste?â in bereits vier StĂ€dten in Deutschland vorgestellt wurde. Neben diesen VortrĂ€gen wurden in den letzten Jahren auch verschiedenste Workshops angeboten und durchgefĂŒhrt, so unter anderem eine Art Fortbildung zum Umgang mit rechten Strukturen in der Tierrechtsbewegung mit Ortsgruppen einer groĂen Tierrechtsorganisation in Deutschland. Hinzu kamen zwei GeschichtswerkstĂ€tten im Jahr 2018. Hier wurde gemeinsam mit Aktivist*innen aus Dresden versucht, die Quellen der eigenen Bewegung zu finden und zu interpretieren: einmal in Döbeln, hier konnte direkt im Archiv gestöbert werden; ein zweites Mal trafen sich die Aktiven in Dresden und gingen dort der regionalen Tierschutz- und Tierrechtsgeschichte auf die Spuren. Das Angebot dieser GeschichtswerkstĂ€tten, die Raum fĂŒr Vernetzung, Reflexion und inhaltliche Auseinandersetzung in einem herrschaftsfreien Raum ermöglichen, sollen in den nĂ€chsten Jahren ausgebaut werden.
Und wie gehtâs weiter?
Die Aktivist*innen des tierbefreiungsarchiv versuchen momentan ihre Arbeit fĂŒr die nĂ€chsten zwei Jahre finanziell abzusichern. Das Ganze findet in Form einer Crowdfunding-Kampagne statt. Die BegrĂŒndung der Aktivist*nnen fĂŒr diese Form dĂŒrfte dabei auf der Erkenntnis beruhen, dass eine finanzielle UnterstĂŒtzung von Firmen, staatlichen Einrichtungen oder Fördertöpfen immer auch zu AbhĂ€ngigkeiten fĂŒhren kann. Was diese AbhĂ€ngigkeiten im schlimmsten Fall fĂŒr Folgen haben, konnte am Beispiel des Tierrechtsarchiv Bochum gesehen werden. Selbst wenn es nicht dazu fĂŒhrt, dass die Archive zu machen mĂŒssen, können AbhĂ€ngigkeiten dazu fĂŒhren, dass die Arbeit nicht unabhĂ€ngig geleistet werden kann. Die einzigen, von denen die Aktiven des tierbefreiungsarchiv abhĂ€ngig sein wollen, sind Aktivist*innen aus verschiedensten sozialen Bewegungen, hauptsĂ€chlich natĂŒrlich aus der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung. Ein weiterer Grund, dessen Folgen viele emanzipatorische Projekte wie das tierbefreiungsarchiv oder den Verein Treibhaus e.V. beeinflussen, sind eben doch rechte hegemoniale Strukturen in der Region. Ein Viertel der Menschen, die zur sĂ€chsischen Landtagswahl gegangen sind, haben eine offen rassistische Partei gewĂ€hlt. Dies wird die Arbeit aller emanzipatorischen Projekte, die am Aufbau einer Gegenkultur beteiligt sind, betreffen. Staatliche Förderungen werden voraussichtlich zurĂŒckgehen, Ăberwachung wird verstĂ€rkt und jeder Stein, der diesen Projekten in den Weg gelegt werden kann, wird ihnen wohl direkt vor die FĂŒĂe geworfen werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es unerlĂ€sslich, Projekte wie das tierbefreiungsarchiv zu unterstĂŒtzen, die quasi im Herzen der Bestie agieren und dabei helfen, eine solidarische Geschichte ĂŒber Landes-, Herkunfts-, Geschlechter- und auch Speziesgrenzen hinweg zu erzĂ€hlen.
UnterstĂŒtzt das tierbefreiungsarchiv bei seiner Crowdfunding-Kampagne â mit Zeitzeugnissen, Arbeitsmaterialien, Ăffentlichkeitsarbeit, Kaffee, Schokolade, Torten, Geld, eurer Zeit oder was auch immer. Damit auch in der sĂ€chsischen Provinz weiterhin emanzipatorische Tierrechtsarbeit geleistet werden kann.
Werft die Geschichte der Tierrechtsbewegung nicht weg!
Weitere Informationen zum Projekt „das tierbefreiungsarchiv“, zur Crowdfunding-Kampage und zum Verein Treibhaus e.V. Döbeln…