Baltzer, Eduard

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Eduard Baltzer (1870). Bildquelle: Wikimedia / Vegetarier-Bund Deutschland

Kurzbiografie

Eduard Baltzer wurde am 24. Oktober 1814 in Hohenleina geboren. Er war Sohn des sĂ€chsischen Pastors Johann Friedrich Baltzer sen. und dessen Ehefrau Caroline Wachsmuth. E.B. studierte zwischen 1834 und 1838 an den UniversitĂ€ten in Halle und Leipzig klassische Philosophie und Theologie. Im September 1841 wurde E.B. zum Diakon und Hospitalprediger in Delitzsch ernannt. Um 1842 schloss sich E.B. den „Protestantischen Freunden“ bzw. “Lichtfreunden” an. Unter anderem aufgrund dieses Engagements verweigerte der RegierungsprĂ€sident in Merseburg E.B. die Wahl zum Pfarrer an der St.-Ulrichs-Kirche in Halle an der Saale. Nachdem die „Lichtfreunde“ in Preußen und Sachsen verboten wurden, wurde auch eine bestĂ€tigte Wahl Baltzers zum Pfarrer an die Nikolaikirche in Nordhausen vom Kulturministerium in Berlin zurĂŒckgezogen. E.B. versuchte mit verschiedenen rechtlichen Mitteln gegen diese Entscheidung vorzugehen. Diese Versuche scheiterten jedoch allesamt. Er legte daraufhin im Januar 1847 sein Pfarramt nieder und grĂŒndete mit anderen Gemeindemitgliedern der Nikolaikirche die „Freie Protestantische Gemeinde Nordhausen“. FĂŒr diese wirkte er als Prediger und Vorsteher in Nordhausen. 1948 wurde E.B. in das Vorparlament der Frankfurter Paulskirche entsandt. Im gleichen Jahr war er außerdem Abgeordneter in der konstituierenden preußischen Nationalversammlung. Im Jahr 1851 gehörte er zu den GrĂŒndungsfiguren des ersten Kindergartens in Preußen. Ein Jahr spĂ€ter gehörte er zu den Akteuren im freireligiösen Spektrum, die den Begriff der Jugendweihe prĂ€gten. Er gehörte weiterhin zu den GrĂŒndern des „Bund freireligiöser Gemeinden“ in Deutschland im Jahr 1859 und war der erste Vorsitzende des Bundes. 1881 legte E.B. alle religiösen Ämter nieder, die er begleitete. Anschließend zog er nach Grötzlingen in der NĂ€he von Karlsruhe. Sechs Jahre spĂ€ter, im Jahr 1887, verstarb E.B. am 24. Juni in Durlach bei Karlsruhe.

Engagement in der Vegetarismusbewegung

E.B. engagierte sich – vor allem im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts – in der Vegetarismusbewegung des Deutschen Kaiserreichs. Laut eigenen Angaben hörte E.B. im Jahr 1866 auf Fleisch zu essen. Diese Entscheidung traf er nach einem GesprĂ€ch mit einem Pfarrer aus Herrenhut und der LektĂŒre von Werken des Naturheilpraktikers Theodor Hahn. Da die Idee des Vegetarismus im 19. Jahrhundert eng verknĂŒpft war mit anderen lebensreformerischen Strömungen, wie beispielsweise der Abstinenzbewegung, hörte Baltzer im gleichen Jahr mit dem Rauchen auf. Ein Jahr spĂ€ter grĂŒndete er mit weiteren interessierten Menschen den ersten vegetarischen Verein in Deutschland. Der „Verein fĂŒr Freunde der natĂŒrlichen Lebensweise“ wurde zu Ostern in Nordhausen gegrĂŒndet. Zwei Jahre spĂ€ter wurde der Verein – vermutlich aufgrund deutschlandweiter Vernetzung – in „Deutscher Verein fĂŒr naturgemĂ€ĂŸe Lebensweise (Vegetarianer)“ umbenannt. Nachdem er seine religiösen Ämter 1881 niedergelegt hatte, konzentrierte sich E.B. auf die Verbreitung der vegetarischen Idee durch ausgiebige Vortragsreisen. E.B. vertrat durchaus auch tierethische Positionen und nicht nur gesundheitliche AnsĂ€tze. Er wurde beispielsweise 1884 zu einem Monat Festungshaft verurteilt, weil er die Treibjagd des Kronprinzen als „Barbarei“ bezeichnet hatte.

Gedenktafel fĂŒr Eduard Baltzer in Nordhausen. Bildquelle: Wikimedia / Andreas Vogel

Neben seinem Engagement im Bereich der Organisation der vegetarischen Bewegung war E.B. in hohem Maße publizistisch tĂ€tig. Im Jahr der VereinsgrĂŒndung veröffentlichte er das erste Werk seiner vierbĂ€ndigen Reihe „Die natĂŒrliche Lebensweise“. Der erste Band von 1867 trug den Titel „Der Weg zur Gesundheit und sozialem Heil“. Im gleichen Jahre folgte „Die Reform der Volkswirthschaft vom Standpunkte der natĂŒrlichen Lebensweise“. Bereits ein Jahr spĂ€ter veröffentlichte E.B. den dritten Band mit dem Namen „Briefe an Virchow ĂŒber dessen Schrift ‚Nahrungs- und Genußmittel‘ “. Den Abschluss der Reihe – „Vegetarianismus in der Bibel“ – publizierte E.B. im Jahr 1872. Bereits die Vielfalt der Titel deutet auf die verschiedenen ZugĂ€nge der frĂŒhen Vegetarismusbewegung hin. Dies zeigte sich auch in dem von E.B. herausgegebenen „Vereinsblatt fĂŒr Freunde der natĂŒrlichen Lebensweise“, der ersten Zeitung der vegetarischen Bewegung in Deutschland. E.B. gab das Blatt nicht nur heraus, er veröffentlichte auch regelmĂ€ĂŸig AufsĂ€tze. Auch im Bereich der KochbĂŒcher wurde E.B. tĂ€tig: Er veröffentlichte ein praktisches Kochbuch unter dem Titel „Baltzer`s vegetarisches Kochbuch“, welches in mindestens 18 Auflagen veröffentlicht wurde. Innerhalb der frĂŒhen vegetarischen Bewegung agierte E.B. auf nahezu allen Ebenen: Er war GrĂŒnder des ersten vegetarischen Vereins und Herausgeber der ersten vegetarischen Zeitung, er propagierte mit VortrĂ€gen und FlugblĂ€ttern die vegetarische Lebensweise und publizierte ein Kochbuch. Er war außerdem ein umtriebiger Netzwerker innerhalb der Vegetarismusbewegung.

Werke (Auswahl):

  • Baltzer, Eduard (1867): Die natĂŒrliche Lebensweise – 1. Teil: Der Weg zur Gesundheit und sozialem Heil. Nordhausen.
  • Baltzer, Eduard (1867): Die natĂŒrliche Lebensweise – 2. Teil: Die Reform der Volkswirthschaft vom Standpunkte der natĂŒrlichen Lebensweise. Nordhausen.
  • Baltzer, Eduard (1868): Die natĂŒrliche Lebensweise – 3. Teil: Briefe an Virchow ĂŒber dessen Schrift „Nahrungs- und Genußmittel“. Nordhausen.
  • Baltzer, Eduard (1872): Die natĂŒrliche Lebensweise – 4. Teil: Vegetarianismus in der Bibel. Nordhausen.
  • Baltzer, Eduard (1873): Vegetarismus und soziale Reform. Nordhausen.
  • Baltzer, Eduard (1873): Ideen zur socialen Reform. Nordhausen.
  • Baltzer, Eduard (1911): Vegetarianisches Kochbuch fĂŒr Freunde der natĂŒrlichen Lebensweise. 17. Auflage [Datum der 1. Auflage unbekannt].

Verwendete Literatur und Quellen:

  • Baltzer, Eduard (1907): Erinnerungen – Bilder aus meinem Leben. Frankfurt a.M.
  • Barlösius, Eva (1997): NaturgemĂ€ĂŸe LebensfĂŒhrung – Zur Geschichte der Lebensreform um die Jahrhundertwende. Frankfurt a.M., New York.
  • Kleinert, Simon (2022): Zukunft ohne Fleisch – Zukunft ohne Tiere? Die Tierfrage in frĂŒhen Zukunftsvisionen der ersten deutschen Vegetarismusbewegung. Tierstudien 21: 17–26.
  • Roscher, Mieke (2009): Ein Königreich fĂŒr Tiere – Die Geschichte der britischen Tierrechtsbewegung. Marburg. Rude, Matthias (2013): Antispeziesismus – Die Befreiung von Mensch und Tier in der Tierrechtsbewegung und der Linken. Stuttgart.

WeiterfĂŒhrende Literatur:

  • Siemens, Daniel (2015): „Wahre Tugend mit Beefsteaks unvereinbar“ – Diskurse um Ethik und Ästhetik im deutschen Vegetarismus, 1880–1940. In: Elberfeld, Jens / Otto, Marcus (Hrsg.): Das schöne Selbst – Zur Genealogie des modernen Subjekts zwischen Ethik und Ästhetik. Bielefeld: S. 133–168.
  • Teuteberg, Hans-JĂŒrgen (1994): Zur Sozialgeschichte des Vegetarismus. Vierteljahrschrift fĂŒr Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 81(1): 33–65.

Eintrag von: Tom Zimmermann (2024)