Frank Matthias Kammel (Hrsg.):
Treue Freunde – Hunde und Menschen
Deutscher Kunstverlag GmbH, Berlin, 2019
ISBN: 978-3-422-98108-9
Unter dem Titel Treue Freunde – Hunde und Menschen zeigte das Bayerische Nationalmuseum vom 28.11.2019 bis 07.06.2020 eine Ausstellung zur Geschichte der Hund-Mensch-Beziehungen. 2019 wurde ergänzend im Deutschen Kunstverlag der gleichnamige Ausstellungskatalog publiziert. Der Katalog bietet neben einem Vorwort und einem einführenden Beitrag – jeweils von Frank Matthias Kammel – sieben Essays sowie die Abbildungen und Texte aus den 12 Ausstellungsbereichen. Ein ausführlicher Anhang mit weiteren Literaturverweisen, Abbildungsverzeichnis und der Erklärung der Namenskürzel rundet den Katalog ab.
Nach dem Vorwort, das unter anderem die Entstehung und den Aufbau der Ausstellung kurz beschreibt, gibt Frank Matthias Kammel (Generaldirektor des Bayerischen Nationalmuseums) in Eine Symbiose – Ohne Menschen gäbe es keine Hunde einen Einblick in die lange Geschichte der Beziehungen von Hunden und Menschen. Es werden verschiedenste Theorien der Domestikation der Hunde thematisiert. Kammel verweist aber auch auf Ansätze in den Geschichtswissenschaften, die die Mensch-Hund-Beziehungen untersuchen. Leider werden Arbeiten, die Kammel in Tradition der Forschungen von Donna Haraway setzt, dem umwelthistorischen Forschungsbereich und nicht den Human-Animal Studies zugeordnet. Dies verwundert ein wenig, vor allem da sich die folgenden Essays durchaus auf Denker*innen aus dem Bereich der historischen Mensch-Tier-Forschung beziehen.
Innerhalb der Essays, die bereits auf die Katalogteile verweisen, begegnen wir verschiedensten Hunden – sowohl symbolischen als auch realen. Den Anfang macht ein Beitrag von Dirk Heißerer, der sich einer der bekanntesten Hundegeschichten der deutschsprachigen Literatur widmet: Es handelt sich um „Herr und Hund“ von Thomas Mann. Neben der Geschichte der Erzählung sowie ihrer Rezeption und den möglichen symbolischen Verweisen verwebt Heißerer die reale Biografie Bauschans, der zentralen Figur der Erzählung, und einer der realen Hunde, die mit Mann zusammenlebten, mit der Erzählung. Geschickt werden dabei symbolische Ebene und realer Hund sowie das Verhältnis von Thomas Mann zu Hunden in Kontext gesetzt. Der Beziehungs- und vor allem der Domestikationsgeschichte des Hundes und den damit verbundenen Auswirkungen auch auf Menschen nähert sich der zweite Essay des Katalogs: Stefan T. Hertwig widmet sich den Theorien zur Domestikation und Zähmung von Wölfen und der Koevolution von Menschen und Hunden im Verlauf der Geschichte. Einen kunsthistorischen Zugang wählt Raphael Beuing für den dritten Essay: Untersucht werden Hundedarstellungen in Gemälden, vorzugsweise Portraits, des Barock. Hunden, die mehr als Symbol fungieren, widmet sich der folgende Beitrag von Cordula Bischoff: Sie untersucht den „Mops-Orden“, eine an die Freimaurerei angelehnte Logenstruktur, die sich als Symbol einen der Trendhunde des 18. Jahrhunderts auserkor – den Mops. Der Kontrolle von Hunden durch den Menschen, beispielsweise durch Leinen oder Hundesteuer, ist Thema des Essays von Thomas Schindler. Die geschlechtlichen Zuschreibungen, beispielsweise der sprichwörtlichen Schoßhunde, untersucht Dagmar Burkhart. Renate Schramm, die den abschließenden Essay beisteuert, widmet sich wiederum den Möpsen. Sie taucht ein in die Welt der Prominenz und spürt dabei der Biografie des Mopses „Sir Henry“, der bei Uschi Ackermann lebte, nach.
Wie der Essayteil der Publikation beginnt auch der Katalogteil mit der Erzählung „Herr und Hund“ von Thomas Mann. Nach einem kurzen einleitenden Text zum Ausstellungs-/ Katalogteil werden verschiedenste Ausstellungstücke fotografisch abgebildet und mit kurzen Texten erläutert. Für den ersten Katalogteil sind dies Bilder aus dem Privatleben Thomas Manns, bevorzugt mit Hund(en) oder auch verschiedenste Titelbilder der Erzählung „Herr und Hund“. Nachdem sich der erste Teil einem sehr speziellen Themengebiet widmete, geht der zweite einen etwas anderen Weg: Die Hunde verschiedenster Prominenter stehen im Mittelpunkt dieses Teils. Wie wurden und werden Hunde als Accessoires zur Inszenierung herangezogen?, wo waren die Prominenten ohne Hunde nicht denkbar? und weitere ähnliche Fragen begegnen uns, vor allem in den Fotos von „Promis“ mit „ihren“ Hunden. Befremdlichkeiten ist der Titel des dritten Katalog- bzw. Ausstellungsteils. In diesem versammeln sich Darstellungen von verschiedensten Artefakten, die den heutigen Betrachtenden durchaus merkwürdig anmuten können – beispielsweise ein Apothekergefäß, welches „Hundefett“ enthielt. Dieses Artefakt verweist auf die vielen (Aus-)Nutzungsmöglichkeiten von Hunden. Weiterhin finden sich hier Hundemumien oder auch Trinkgefäße in Hundeform. Der vierte Abschnitt der Ausstellung sowie des Katalogs verweist auf den Titel der Ausstellung: In Partnerschaft werden Freundschaft und Gefährtenschaft von Menschen und Hunden thematisiert. Wir erfahren, dass Darstellungsformen auf Gemälden, auf denen Hunde zu Füßen ihrer „Herren“ abgebildet sind, auf die Treue des Hundes verweisen, aber auch symbolisch auf die Treue zum „Landesherren“ verweisen können. Weit zurück gehen dabei die Geschichten über die Treue und Freundschaft von Hunden – Argos, der „seinen Herren“ Odysseus nach jahrelanger Abwesenheit als einziger wiedererkennt, ist der Auftakt der freundschaftlichen Geschichten. Diese ziehen sich bis in die heutige Popkultur. Im Katalogteil finden wir Gemälde und Fotos, aber auch Abbildungen von Artefakten, wie beispielsweise Münzen, Handtaschen, Schallplattencover und mehr. Dass Hunde als Statussymbole zur Darstellung von Macht und Herrschaft galten und gelten, wird im fünften Teil des Katalogs dargestellt. Gemälde von Herrschenden mit Jagdhunden oder großen Meuten von Hunden, Rapper mit sogenannten Kampfhunden und weitere bildliche Darstellungen finden sich. Im Bereich der Artefakte ist es eine Sammlung von geschmückten Halsbändern, die die Hunde als zum Adel oder der herrschenden Klasse zugehörig markieren sollten. Dieser Logik folgend finden sich auch nicht die Namen der Hunde, die durchaus überliefert sind, sondern die Initialen oder Namen der „Hundehalter*innen“ wieder. Der sechste Abschnitt der Ausstellung befasst sich mit Hunden, die als Helfer*innen für Menschen genutzt werden. Wo dienten Hunde der Unterstützung von Menschen? Während wir aus heutiger Perspektive wohl vorrangig an sogenannte Blinden- oder Therapiehunde denken, wird im Katalog eine große Bandbreite der Nutzungsformen von Hunden thematisiert. So mussten Hunde Menschen bei der Jagd „helfen“, dazu finden sich sowohl bildliche Darstellungen als auch verschiedenste Artefakte im Katalog wieder. Weiterhin begegnen wir Hunden, die halfen, das Haus oder die Herden zu bewachen, aber auch solchen, die im Militär oder bei der Polizei herangezogen wurden, um die Kontrolle über Menschen zu verbessern. Einer der wohl berühmtesten „Lawinenhunde“ Barry wird im Katalog ebenso vorgestellt wie das heute fast vollkommen vergessene Schicksal von Hunden, die Menschen beim Transportieren von Waren „halfen“, indem sie Wägen ziehen mussten. Den positiv klingenden Titel Spielereien trägt der siebte Teil des Katalogs. Bis in die europäische Antike reichen die vorgestellten Artefakte dieses Teils. Gezeigt werden auch Kämpfe von Hunden mit anderen Tieren – eine Spielerei nur für die Menschen und nicht für die beteiligten Tiere. Neben den realen Hunden werden aber auch Spielzeuge in Hundeform vorgestellt, scheinbar eine Mode, die eine sehr lange Tradition vorweisen kann. Unterschiedlichen Hunden, die zu verschiedenen Zeiten „Modehunde“ waren, also besonders häufig als „Haustiere“ genutzt wurden, ist der achte Teil des Katalogs gewidmet. Wir finden wiederum Gemälde, aber auch Darstellungen verschiedenster Statuen von Hunden. Der neunte Teil mit Titel Bösartigkeiten widmet sich dem Verhalten von Hunden, welches Menschen als „bösartig“ interpretieren – Bisse und Haufen ist dementsprechend der Untertitel dieses Teils. Der zehnte Teil widmet sich der Thematik der vertauschten Rollen und zeigt verschiedenste Darstellungen, bei denen Hunde als Menschen und/ oder Menschen als Hunde dargestellt werden. Dass Hunde in der Geschichte der Menschheit auch für fantastische und erotische Vorstellungen und Zuschreibungen herangezogen wurden, ist Thema des vorletzten Teils des Ausstellungskatalogs. Hier begegnen wir beispielsweise den in den Essays bereits angedeuteten geschlechtlichen Zuschreibungen und Zuordnungen verschiedenster „Hunderassen“. Wie die Erinnerung an von Menschen geliebte Hunde inszeniert wurde, wird im letzten Teil vorgestellt: In Hundekult werden verschiedenste Gemälde oder auch Plastiken gezeigt.
Der Ausstellungskatalog Treue Freunde – Hunde und Menschen bietet einen guten und vor allem breiten Einblick in die Geschichte(n) der Beziehungen von Menschen und Hunden. Die Essays bieten ergänzend zum Ausstellungsteil des Katalogs eine inhaltliche Einführung in einzelne Aspekte der verschiedensten Beziehungsgeflechte. Positiv hervorzuheben sind die unterschiedlichen Zugänge in den Beiträgen, aber auch der immer wieder anklingende Verweis auf den Ausstellungsteil. Für Menschen, die sich einführend mit den Beziehungen von Menschen und Hunden in der europäischen Geschichte beschäftigen möchten, bieten die Essays einen guten Startpunkt. Der Ausstellungskatalog kann den Besuch der Ausstellung nicht ersetzen. Am deutlichsten wird dies bei den im Katalog abgebildeten und vorgestellten Artefakten. Diese sind aber jeweils gut beschrieben und werden in historische Kontexte eingeordnet, was den Lesenden ermöglicht, sich mit mehr als der Hund-Mensch-Beziehung zu beschäftigen. Sowohl die Essays als auch die Beschreibungen der Artefakte der Ausstellung sind leicht verständlich geschrieben und verzichten im Großen und Ganzen auf unnötige Fremd- und Fachwörter, wodurch sich der Katalog auch für Menschen empfiehlt, die sich bisher noch nicht mit Human-Animal Studies beschäftigt haben. Die Auswahl der im Katalog vorgestellten Museumsstücke ist ebenfalls positiv hervorzuheben – sie ermöglichen einen Einblick in die langen und vielfältigen Darstellungs- und dadurch auch Wahrnehmungsformen von Hunden in unterschiedlichen Epochen. Kontinuitäten werden dabei ebenso sichtbar wie Brüche in den verschiedensten Formen der Nutzung von Hunden. Die Auswahl zeigt aber auch einen kulturgeschichtlichen Querschnitt menschlichen Handwerks, der Malerei oder auch der Literatur. Eine kritische Infragestellung der Nutzung von Tieren im Allgemeinen oder Hunden im Besonderen thematisiert der Katalog leider nicht. Die Publikation beansprucht aber auch nicht Teil der Critical Animal Studies zu sein.
Wer einen Einblick in die Geschichte der Mensch-Hund-Beziehungen haben möchte und dabei sowohl einführende Texte als auch verschiedenste Artefakte betrachten möchte, sollte diesen Katalog mehr als nur durchblättern.