Mensch & Tier im Revier

Heinrich Theodor Grütter & Ulrike Stottrop (Hrsg.):
Mensch & Tier im Revier
Klartext Verlag, Essen, 2019
ISBN: 978-3-83752-102-3

Das Ruhrmuseum in Essen zeigte vom 8. Juli 2019 bis 2. Juni 2020 die Ausstellung Mensch & Tier im Revier. Im Juli 2019 wurde passend dazu im Klartext-Verlag der Ausstellungskatalog mit gleichem Titel herausgegeben. Verantwortlich für die Herausgabe zeigen sich Heinrich Theodor Grütter, Ulrike Stottrop und das Ruhrmuseum. Der Katalog versammelt die über 100 Exponate der Ausstellung und versieht jedes mit einem kurzen Text. Den Exponatsbeschreibungen vorgeschaltet sind zwei einleitende Texte.

Der Katalog beginnt mit einer Grußbotschaft des Landes NRW, der Stadt Essen und des Landschaftsverbandes Rheinland. Bereits in dieser Grußbotschaft wird auf die sich historisch gewandelten Mensch-Tier-Beziehungen hingewiesen. Im Vorwort erläutert Heinrich Theodor Grütter als einer der Herausgebenden wie die Ausstellung sowie der dazugehörige Katalog zustande gekommen sind – von einem gescheiterten Projektantrag zur Erforschung des Wandels der Mensch-Tier-Beziehungen  im Ruhrgebiet zur Erfolgsgeschichte eines eigenen Arbeitskreises Mensch und Tier im Ruhrgebiet, der aus mehreren Instituten und Museen besteht. Anschließend gibt Friedrich Jaeger einen Überblick über die aktuellen Forschungsfelder und -fragen rund um die Mensch-Tier-Beziehungen. Die verschiedenen Beispiele von Elefanten im Ruhrgebiet und den unterschiedlichen Beziehungen, die Menschen mit ihnen eingingen, sind der Fokus des Beitrages von Gudrun Gersmann.

Anschließend stellen Ulrike Stottrop und Reinhild Stephan-Maaser die Konzeption der Ausstellung vor. Zwischen den inhaltlichen Texten sind die Seiten mit einer Menge Schwarz-Weiß-Fotografien gefüllt. Gezeigt werden verschiedenste Situationen der Mensch-Tier-Beziehungen. Nichtmenschliche Tiere werden bereits hier – und dies zieht sich auch durch die später folgenden Exponate – sowohl als Freilebende, Ausgebeutete oder Gefangengehaltene als auch als Gefährt*innen, aber ebenfalls nur noch als Reste ihrer Körper dargestellt. Die Fotografien, die hier den Texten und Abbildungen der Exponate vorangestellt sind, bilden auch in der Ausstellung eine Art Empfangsbereich, in dem direkt die Vielschichtigkeit und Uneindeutigkeit der Fragen nach den Mensch-Tier-Verhältnissen aufgezeigt werden. Insgesamt wurden aus ursprünglich über 1000 möglichen Exponaten etwas über 100 für Ausstellung und Katalog ausgewählt. Aufgeteilt wurden die Objekte in insgesamt fünf Oberkategorien, wobei jeder davon drei Unterkategorien aufweist. Die Kategorien sind Tiere töten mit den Unterkategorien Jagd, Schlachtung und Vernichtung; Tiere nutzen mit Arbeit, Produkte und Zucht; Tiere lieben mit Gefährten, Vermenschlichung und Schutz; Tiere ordnen mit Sammeln, Erforschen und Ausstellen und schließlich Tiere deuten mit Alltag, Glaube und Politik. Ergänzt werden diese durch ein sechstes Kapitel mit dem Namen Tiere auf Augenhöhe. Hier werden – quasi als Abschluss der Ausstellung und des Kataloges – Fotografien verschiedener nichtmenschlicher Tiere vorgestellt, die den_die Fotograf*in direkt angesehen haben. Dadurch erwecken die Bilder den Eindruck, mit Tieren auf Augenhöhe zu sein. Da es den Rahmen einer Rezension sprengen würde, alle über 100 Exponate vorzustellen, wird folgend eine Gruppe von Exponaten vorgestellt, die die Tierbewegungen selbst betreffen – denn auch die Anti-Tierversuchsbewegung hat es mit insgesamt drei Exponaten in die Ausstellung und den Katalog geschafft: Ein Aufkleber und zwei Broschüren zum Thema Tierversuche fanden den Einzug. Mit der Objektnummer 66 versehen ist ein Sticker des Tierversuchsgegner Nordrhein-Westfalen e.V. sowie je eine Broschüre der Vereine Ärzte gegen Tierversuche und Animals United. Im kurzen Erklärungstext von Michael Lorenz findet sich eine Aktionsbeschreibung einer seit 20 Jahren stattfindenden Mahnwache in der Weihnachtszeit in Essen. Weiterhin werden Argumente von Tierversuchsbefürworter*innen beschrieben sowie auf den Contergan-Skandal der 1960er und 70er Jahre eingegangen. Der abschließende Absatz von Lorenz kann dabei als eine Wiedergabe abolitionistischer Positionen in Bezug auf Tierversuche gelesen werden:

„Zu Recht weisen Tierschützer darauf hin, dass Tiere wie Menschen Schmerzen und Angst empfinden, ihr Leben und das ihrer Nachkommen schützen. Ihrer Natur nach sind sie nicht dazu bestimmt, in einem kleinen Käfig in einem Labor eingesperrt zu sein und dort nach einer Prozedur voller Schmerz und Qual ihr Leben zu verlieren.“

S. 175

Insgesamt zeigt der Ausstellungskatalog die große Bandbreite an Zugängen und historischem Quellenmaterial zum Überthema Mensch-Tier-Beziehungen. Positiv überraschen einige Statements in den einführenden inhaltlichen Texten – so findet beispielsweise auch die Tierbefreiungsbewegung namentlich genannt ihren Platz im Katalog. Kritisch wird sich zudem dem aktuellen Verhältnis von Menschen zu anderen Tieren angenähert. Leider findet dies im Fallbeispiel zu den Elefanten im Ruhrgebiet weniger eine kritische Position – zumindest erscheint es mir als würde beispielsweise die Instanz Zoo wenig hinterfragt. Aus Aktivist*innenperspektive ist der Katalog auch immer mit Vorsicht zu genießen: Wer keine Abbildungen von Tierausbeutung, den Werkzeugen ihrer Knechtung oder sogenannte Tierprodukte sehen kann bzw. Beschreibungen über diese nicht lesen will, sollte vielleicht auf das Blättern im Katalog verzichten. Für diejenigen hingegen, die sich mit der Geschichte der Mensch-Tier-Beziehungen auseinandersetzen möchten, bietet der Ausstellungskatalog einen guten Ausgangspunkt für weitere Recherchen, auch weil zu jedem Exponat weitere Literaturempfehlungen gemacht werden. Ein kleiner Wermutstropfen eines Ausstellungskataloges und das trifft auf alle Publikationen dieser Art zu: Sie können den Besuch einer Ausstellung, die dann mit mehr Sinnen erfahren werden kann, nicht ersetzen – auch die räumliche Anordnung der Exponate kann in einem Buch schlecht eingefangen und repräsentiert werden. Dies tut aber dem vorliegenden Band trotzdem nichts in seiner Qualität ab. Der Arbeitskreis „Mensch und Tier im Ruhrgebiet“ plant für 2020 und 2021 weitere Ausstellungen im Ruhrgebiet – bleibt zu hoffen, dass diesen eine große Besucher*innenzahl vergönnt sei und es weitere Ausstellungskataloge geben wird.

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