Brennpunkt Ökologie

Jost Hermand:
Brennpunkt Ökologie – Kulturelle und gesellschaftspolitische Interventionen
Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln, 2020
ISBN: 978-3-412-51756-4

2020 erschien im Böhlau Verlag das Buch Brennpunkt Ökologie – Kulturelle und gesellschaftspolitische Interventionen von Jost Hermand. Es handelt sich hierbei um eine Zusammenstellung alter und neuer AufsĂ€tze, Reden, KonferenzbeitrĂ€ge und ĂŒbersetzter Essays von Jost Hermand, die er als emeritierter Professor fĂŒr deutsche Kulturgeschichte an der University of Wisconsin-Madison (USA) und Honorarprofessor an der HU Berlin seit 1979 verfasst hat. Das Buch umfasst damit eine unglaubliche Bandbreite an „Spurensuchen“ zur – grob gesagt – ökologischen Bewegung seit dem 18. Jahrhundert, wobei viele Spuren auch frĂŒher beginnen. Die untersuchten und vorgestellten Protagonist*innen dieser „ökologischen Bewegung“ reichen dabei von Tierschutzbewegten und Vegetarier*innen ĂŒber Lebensreformbewegte und HeimatschĂŒtzer*innen bis hin zu Mitgliedern und UnterstĂŒtzer*innen der Partei „Die GrĂŒnen“. Um all diese Bereiche und Bewegungen zu vereinen, ist das Buch in drei grĂ¶ĂŸere Abschnitte untergliedert: (1) ZeitĂŒbergreifende Nachhaltigkeitskonzepte, (2) Gerechtfertigte und rassistisch gesinnte VorlĂ€ufer der heutigen GrĂŒnen und (3) Zur gegenwĂ€rtigen Situation. Daraus wird bereits deutlich, dass das Buch nicht nur eine (weitere) Beschreibung verschiedener ökologischer Bestrebungen und Zeugnisse im Laufe der Zeit anstrebt, sondern die Äußerungen, Ideen und Ziele der jeweiligen Protagonist*innen auch fĂŒr heutige und zukĂŒnftige Umweltbewegte greifbar und relevant machen will.

FĂŒr die Tier*bewegungen könnte neben dem historischen Überblick zu GrĂŒnen Utopien in Deutschland vor allem das Kapitel GehĂ€tschelt und gefressen – Das Tier in den HĂ€nden der Menschen im ersten Teil des Buches spannend sein. Hierin werden neben der Geschichte der Mensch-Tier-Beziehungen im Allgemeinen auch die Geschichte(n) von Tierschutz und Vegetarismus bis hin zu Tierrechten und Veganismus – wenn auch letztere eher am Rande – beschrieben. Eine Kritik an Tierausbeutung und Anthropozentrismus wird dabei immer mal wieder deutlich. Gut finde ich auch, dass rassistische VorlĂ€ufer*innen der heutigen Umwelt- und Tierbewegungen nicht – wie teilweise der Fall – ausgespart werden, sondern ebenfalls ErwĂ€hnung finden und eine kritische Betrachtung erfahren. Insgesamt bietet das Buch viele spannende Einblicke in die sich entwickelnde Umwelt- und Ökologiebewegungen, ihre VorlĂ€ufer*innen und „Traditionen“. Es wirkt dabei eher wie ein großer Wissensspeicher – ein Nachschlagewerk, das einen Überblick zu den verschiedenen Themenfeldern der Umweltbewegung(en) und deren Entstehungsgeschichte gibt. So liest es sich aber stellenweise leider auch: aneinandergereihte Informationen, lange SchachtelsĂ€tze, keine wirklich gut zu lesende „ErzĂ€hlstruktur“. Das macht das Lesen manchmal etwas schwer. Gleichzeitig gibt es aber auch spannend geschriebene und gut zu lesende Passagen – und der Schreibstil ist ja bekanntlich auch Geschmackssache. Deutlich problematischer finde ich hingegen, dass Jost Hermand viele seiner Aussagen nicht mit entsprechenden Quellen belegt. Das mag daran liegen, dass die Texte im Buch zum Teil niedergeschriebene Reden aus frĂŒheren Jahrzehnten sind, kritisch bleibt es trotzdem – vor allem, weil viele Aussagen mit heutigem Erkenntnisstand auch einfach nicht mehr zutreffend sind. So ist heute beispielsweise klar, dass Hitler kein Vegetarier war – was im Buch aber mehrfach und ohne Belege behauptet wird. Das mag in der Zeit der Entstehung der jeweiligen Texte noch aktueller Wissensstand gewesen sein, aber dann sollte es auch entsprechend gekennzeichnet sein. Leider wird im Buch aber nicht ersichtlich, wann welcher Text in welchem Zusammenhang oder fĂŒr welchen Zweck entstanden ist. So kann ich dieses Buch leider nur eingeschrĂ€nkt denjenigen empfehlen, die sich bereits lĂ€nger mit den im Buch aufgegriffenen Themen beschĂ€ftigen und so selbststĂ€ndig eine kritische Beurteilung der Inhalte vornehmen können.