“Rechte für Tiere”

Projekt zur Thematisierung rechter Tendenzen innerhalb der Tierbewegungen – Ein Rückblick

Dieser Rückblickstext basiert auf einem Artikel, der im März 2017 in der TIERBEFREIUNG 94 erschien.

Im Jahr 2016 führten Aktive des tierbefreiungsarchivs das Projekt „Rechte für Tiere – Neonazis und andere rechte Tendenzen in Tierbewegungen“ durch. Im Rahmen dieses Projekts wurden eine Internetseite mit Hintergrundinformationen zur Thematik und einem Monitoring-Bereich online gestellt, eine Vortragstour in Deutschland mit insgesamt 15 Stationen durchgeführt und eine Informationsbroschüre für Tierrechtsvereine und -gruppen erstellt.

Die Idee

Seit einigen Jahren sind Menschen, die sich im Dunstkreis des tierbefreiungsarchivs bewegen, auch in anderen sozialen Bewegungen aktiv, beispielsweise in antirassistischen oder antifaschistischen Zusammenhängen. Aufgrund der Feststellung, dass es innerhalb der Tierbewegungen Strömungen gibt, die sich hauptsächlich für Tiere einsetzen, haben sich Aktive dazu entschieden, ein Projekt zu initiieren, das solche Tendenzen hinterfragt und kritisiert.

Die Internetseite

Die Internetseite http://rft.blogsport.de/ diente als Informationsplattform über rechte Aktivitäten in den Tierbewegungen. Es wurden Informationstexte zu historischen Bezugspunkten, beispielsweise zu Zoos im Nationalsozialismus und auch Texte zu aktuellen Tendenzen der rechten Szene in Bezug auf Tierschutz/ Tierrecht oder Vegetarismus/ Veganismus bereitgestellt. Die Spanne reichte von Zeitungs- und Blogbeiträgen bis hin zu wissenschaftlichen Texten. Weiterhin wurden Links zu Gruppen, Vereinen und Institutionen bereitgestellt, die für mögliche Umgangsstrategien sinnvoll sind. So wurden beispielsweise antirassistische Gruppen verlinkt, die als Kooperations- und Netzwerkpartner*innen angesprochen werden können. Um Aktiven der Tierrechtsbewegung einen Überblick über Aktivitäten von Neonazis und anderen rechten Strukturen zu geben, war auf der Internetseite zudem ein Monitoring-Bereich eingerichtet. In diesem Bereich wurden Aktionen, Anknüpfungsversuche und Statements von rechten Personen und Gruppen veröffentlicht. Dies diente vor allem dem Überblick darüber, welche Aktionen durchgeführt werden, an welche Aktionen angeknüpft wird, wo diese Aktionen und Versuche stattgefunden haben und welche Themen genutzt werden. Dieser Bereich wird auch nach dem offiziellen Projektende weiterhin aktualisiert. Wenn ihr von Aktionen, Statements oder ähnlichem erfahrt, meldet euch bitte bei uns.

Anmerkung (Mai 2020): Der beschriebene Blog des Projekts existiert nicht mehr (lange). Die wichtigsten Informationen sind nun auf den Projektseiten des tierbefreiungsarchivs zu finden, so der Monitoring-Bereich und ein Literaturüberblick zum Thema. Bei Gelegenheit werden weitere Inhalte ergänzt.

Die Vortragstour

Ein weiteres Werkzeug zur Sensibilisierung von Tieraktivist*innen war eine Vortragsreihe im Jahr 2016. Diese sollte ursprünglich 12 Veranstaltungen beinhalten. Aufgrund der größeren Nachfrage kamen insgesamt 15 Veranstaltungen zustande, wobei 14 Vortragsveranstaltungen und ein Workshop durchgeführt wurden. Der Großteil der Veranstalter*innen kam aus dem Spektrum der Tierrechts- oder Tierbefreiungsbewegung, jedoch wurden auch Veranstaltungen von Gruppen aus der Vegan-Szene organisiert.

Die Vorträge beinhalteten drei größere Blöcke. Im ersten Block wurde die Motivation für das Projekt im Rahmen einer Einleitung dargestellt. In diesem Teil wurde auch auf historische rechte Tendenzen in Bezug auf Tierschutz – sowohl im historischen Nationalsozialismus als auch in der Lebensreformbewegung – eingegangen. Der zweite Block widmete sich aktuelleren Tendenzen. Hier wurden Anknüpfungsversuche, eigene Aktionen und Statements rechter Aktivist*innen und Gruppen vorgestellt und es wurde der Versuch unternommen, diese theoretisch einzuordnen. Behandelt wurden unter anderem Themen wie das „religiöse Schächten“, welches in der rechten Szene ein Dauerbrenner in Bezug auf Tierschutz ist. Die antisemitische (bzw. antimuslimische) Ausrichtung der Argumentation wurde erläutert. Auch die Thematik „Zirkus“, die in der rechten Szene häufig aufgegriffen wird, wurde auf ihre antiromaistischen Tendenzen untersucht. Hier zeigte sich, dass es vergleichsweise wenige Themen gibt, die für rechte Gruppen und Personen in Bezug auf Tiere relevant sind. Zum großen Teil scheinen sie diese Themen zu nutzen, um ein gesellschaftlich bereits diskutiertes Thema aufzugreifen und mit rechten Inhalten zu füllen. Die in den Vorträgen erwähnten Projekte aus der rechten Szene zeigen jedoch andere Merkmale – sie scheinen mehr als „nur“ rechte Mimikry zu sein: Themen wie Veganismus oder Tierschutz werden beispielsweise durch Projekte wie die Balaclava-Küche oder „Tierschutz aus Tradition“ auch in die rechte Szene selbst hineingetragen. Damit werden diese Themen auch über rechte Anknüpfungsversuche hinaus innerhalb der Szene diskutiert und es wird versucht, eigene Positionen aufzubauen.[1]  

Der dritte Block der Vorträge widmete sich dann möglichen Umgangsstrategien. Der Schwerpunkt lag hierbei vor allem auf einem möglichen Umgang von Gruppen/ Vereinen mit rechten Anknüpfungsversuchen und möglichen Strategien für Veranstaltungen. Die vorgeschlagenen Möglichkeiten sollten jedoch nicht als fester Fahrplan für den Umgang verstanden werden, sondern vielmehr als Angebot, sich weiter mit Strategien zu befassen, diese zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Dies gilt auch für den letzten Abschnitt der Vorträge, die erweiterte Strategie. Eine Auseinandersetzung mit eigenen Stereotypen und mit den gesellschaftlichen Bedingungen, die Ausgrenzung und Unterdrückung bedingen, sollte angestrebt werden. Dies gilt auch für die Geschichte der Tierrechtsbewegung und ihrer Vorläuferbewegungen.

Den Abschluss der Tour stellte ein Workshop auf dem Tierbefreiungskongress 2016 dar, der am Sonntagmorgen stattfand. Trotz der Uhrzeit war die Veranstaltung sehr gut besucht. Der Workshop teilte sich in zwei Phasen: In der ersten erhielten die Teilnehmer*innen Texte von Tierrechts- oder Tierschutzinstitutionen sowie Texte aus der rechten Szene. Die Autor*innen der Texte wurden unkenntlich gemacht, sodass die Teilnehmenden innerhalb von Kleingruppen über die Texte diskutieren konnten. Um dem Ganzen einen etwas spielerischen Charakter zu verleihen, wurde diese Phase als Quiz aufgezogen: Untersucht wurden die Texte auf den möglichen Hintergrund, aus dem sie kommen sowie auf mögliche Türöffnerfunktionen für rechte Personen/ Gruppen. Nach der Kleingruppenarbeit wurden die Ergebnisse der Kleingruppen im Plenum vorgestellt. In einer zweiten Phase wurden dann mögliche Umgangsstrategien innerhalb der Tierbewegungen diskutiert.

Feedback & Kritik

Im Großen und Ganzen war das Feedback auf die Vortragstour positiv: Das Engagement wurde gelobt, auf die Wichtigkeit der Vernetzung verschiedenster emanzipatorischer Kämpfe wurde hingewiesen. Doch natürlich kann eine solche Tour nicht ohne Kritik auskommen – einige dieser Punkte sollen hier kurz erwähnt werden. Die formulierten Kritikpunkte waren konstruktiv und haben uns als Projektgruppe sehr angeregt. So wurde beispielsweise beanstandet, dass innerhalb des Vortrags auf das Konzept der Tierbewegung zurückgegriffen wurde. Die Verwendung dieser Terminologie führt zur Verwischung von Bewegungsgrenzen und kann damit dazu führen, dass die klaren Unterschiede in den Theorien, Forderungen und Aktivitäten in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden können. Dadurch könnte die Tierschutzbewegung mit der Tierrechts- oder Tierbefreiungsbewegung gleichgesetzt werden.

Ein weiterer – wenn auch kein inhaltlicher – Punkt war(en) die Finanzierung bzw. die Förder*innen. Die Idee der Vortragstour war, dass die veranstaltenden Gruppen keine Kosten haben sollten – daher haben wir überhaupt nach einer finanziellen Förderung gesucht. Leider haben Stiftungen aus dem Bereich der antirassistischen Bildung und ähnliche nicht positiv auf unsere Anträge reagiert, weshalb wir bei der Stiftung Vegeterra und dem LUSH Charity Pot angefragt haben, die der Idee sehr positiv gegenüberstanden.

Ein weiterer Punkt, der an dieser Stelle erwähnt werden soll, ist die Kritik, dass wir uns hauptsächlich mit Neonazis und anderen aktiven Rechten auseinandergesetzt haben und weniger mit den menschenverachtenden Tendenzen (Rassismus, Sexismus, Homophobie…) innerhalb der Tierschutz-, Tierrechts- oder Tierbefreiungsbewegung. Diesem Kritikpunkt haben wir nichts hinzuzufügen. Wir gehen auch davon aus, dass eine alleinige Auseinandersetzung mit radikalen Rechten nicht ausreicht, sondern dass sich Bewegungen auch mit ihren eigenen Strukturen auseinandersetzen müssen.

Dies führt auch zum letzten Kritikpunkt, der in der letzten Veranstaltung auf dem Tierbefreiungskongress angebracht wurde. Es geht darum, dass es nicht ausreicht, sich von X oder Y abzugrenzen und sich mit einzelnen kritischen Formulierungen auseinanderzusetzen. Wenn das Ziel einer Bewegung die grundlegende Veränderung der Gesellschaft ist, dann muss deren Organisation und Struktur verstanden werden, um effektiv an Alternativen zu bauen und die bestehenden Strukturen anzugreifen.

Fazit

Das Thema „Neonazis in Tierbewegungen“ ist ein Thema, welches in der Tierrechtsbewegung besprochen wird. Für uns als Projektgruppe ist besonders erfreulich, dass es zum einen mehr Veranstaltungen gab als wir geplant hatten und zum anderen, dass der Zuspruch der Veranstalter*innen und Teilnehmer*innen insgesamt sehr hoch war/ ist. Dass sich die Tierbewegungen jetzt vermehrt mit menschenverachtenden Tendenzen auch innerhalb der eigenen Szenen beschäftigen, bleibt zu hoffen. Wir hoffen, dass wir ein stückweit zur Sensibilisierung beigetragen haben und dass die Thematik weiterhin in der Bewegung diskutiert wird. Wir denken, dass wir ein zentrales Ziel unseres Projektes, die Sensibilisierung und Information von tierbewegten Menschen, zu einem großen Stück erreichen konnten. Wir hoffen, dass wir als Bewegung gemeinsam weiter an der Thematik arbeiten werden.

Als letztes möchten wir noch einmal Danke sagen, an alle, die irgendwie an diesem Projekt mitgewirkt haben. Danke an die Veranstalter*innen und Teilnehmer*innen – ohne euch wäre ein solches Projekt natürlich vollkommen sinnfrei gewesen. Danke an die Menschen, die unser Layout gemacht oder die Texte und Präsentationen auf Fehler untersucht haben. Danke an die spontane Ko-Referenz in Bochum. Danke an unsere Fördermittelgeber*innen. Und natürlich ein großes Danke an alle Kritiker*innen – ohne euch könnten wir unseren eigenen Standpunkt schlecht reflektieren und unsere Ideen kaum weiterentwickeln.

Für die Befreiung von Mensch und Tier!

[1] Ein Hinweis auf die Entwicklung eigener Positionen ist der Ansatz, sich auf rechte Traditionen innerhalb der Tierschutzbewegung zu beziehen. Dies zeigt sich in den Posts von „Tierschutz aus Tradition“, die ein positives Mensch-Tier-Verhältnis im Nationalsozialismus suggerieren, beispielsweise wenn Adolf Hitler mit Hunden oder Rehen gezeigt wird. Ebenfalls wird sich positiv auf Tierschutzgesetze innerhalb des Nationalsozialismus bezogen.