Requiem für Gorilla Bobby

Christian Welzbacher:
Bobby – Requiem für einen Gorilla
Matthes & Seitz, Berlin, 2019
ISBN: 978-3-95757-704-7

Diese Rezension erschien erstmals im März 2020 im Magazin TIERBEFREIUNG, Ausgabe 106.

Als Mensch, der sich in einem freien Archiv engagiert und sich mit der Geschichte der Tierrechts- oder Tierbefreiungsbewegung beschäftigt und auch ein Interesse am Konzept von Tiergeschichte hat, sind Werke, die Erinnerungskultur an nichtmenschliche Tiere versuchen, spannende Experimente. Vor diesem Hintergrund war ich natürlich sehr gespannt, als ich den Text auf der Rückseite des Buches Bobby. Requiem für einen Gorilla las[1]: „Bobby. Requiem für einen Gorilla erzählt die Geschichte des ersten in einem europäischen Zoo aufgewachsenen Menschenaffen. Sie ist auch eine Geschichte der Grausamkeit und der menschlichen Überlegenheit.“ Wer jetzt aber eine Biografie von Bobby erwartet, wird bereits im Klappentext auf die Zusammenstellung des Buches verwiesen: „Dieses facettenreiche und berührende Buch ohne Autor – denn es besteht allein aus Zitaten zeitgenössischer (Fach-)Literatur und Presseberichten“ (Klappentext). Bobby war der erste Vertreter* seiner Spezies, der nach der Gefangenahme als Baby (1928) in einem europäischen Zoo bis zu seinem Tode (1935) im Erwachsenenalter gefangen gehalten wurde. Er* war eine Sensation für die Menschen und ökonomisch ein Glücksfall für den Berliner Zoo, für Bobby dürfte das Leben weniger ein Glücksfall gewesen sein. Doch auch nach seinem Ableben, durch eine Blinddarmentzündung, wird Bobby bis heute Zuschauer*innen vorgeführt – nicht mehr im Zoo, sondern im Berliner Naturkundemuseum.

Die Zusammenstellung zeitgenössischer Perspektiven, sowohl auf Menschen als auch nichtmenschliche Tiere, ist eine akribische Sammlungsarbeit von Christian Welzbacher. Die Beiträge reichen dabei von Zeitungsartikeln über Gorillas im Allgemeinen oder Bobby im Speziellen. Ausschnitte aus Fachmagazinen und Büchern aus den Wissenschaftszweigen Biologie, Zoologie, Anthropologie und vielen weiteren stehen neben Reise- und so genannten Entdeckungsberichten und vielen weiteren Textfragmenten. Auf insgesamt 16 Seiten ergänzen Bilder die Textfragmente. Ähnlich vielschichtig wie die Texte ist auch die Zusammensetzung des Bildmaterials: Karten, Gemälde, Fotografien. Auch die Bilder zeigen nicht nur Bobby, auch wenn viele den Gorilla abbilden. Die Bilder, die Bobby zeigen, stellen ihn in verschiedensten Phasen seines Lebens dar: als Baby kurz nach seiner Gefangennahme, als junger Gorilla sowie als Erwachsener und selbst über seinen Tod hinaus. Eine Darstellung zeigt die Präparation des Leichnams von Bobby. Insgesamt ist die Sammlung der Texte und Bilder spannend, leider fehlen ergänzende Angaben zu den Autor*innen der Textfragmente und zu den Entstehungskontexten. Eine Art kritische Edition, also eine Einordnung der Textfragmente wäre vor allem für ein Publikum, welches nicht aus dem Fachbereich der Geschichtswissenschaften kommt, hilfreich gewesen. Ebenfalls wäre eine biografische Einleitung über Bobby eine schöne Ergänzung gewesen[2], auch wenn der_die geneigte Leser*in sich die Biografie Bobbys aus den Fragmenten erarbeiten kann. Als Versuch, einen erinnerungskulturellen Beitrag an Bobby zu leisten, ist das Werk spannend, auch für Tierbefreiungsaktivist*innen, die sich für Erinnerungskultur an nichtmenschliche Tiere interessieren und Lust haben, ergänzende Recherchen zu den Textfragmenten und Bildern zu leisten.

[1] „Requiem“ wird in der katholischen Kirche unter anderem die Totenmesse für einen Verstorbenen genannt.
[2] Im Klappentext heißt es zu Bobby nur: „Bobby war der erste Gorilla, der in einem europäischen Zoo vom Babyaffen zum Fünf-Zentner-Riesen heranwuchs […] 1928 kam er nach Berlin, 1935 verstarb er an einer Blinddarmentzündung. Nach der Obduktion stopfte man ihn aus“.